7. Februar 2011
Die Waffenruhe hielt nur kurz: Sowohl am Sonntag als auch am Montag gab es wieder vereinzelte Feuergefechte an der kambodschanisch-thailändischen Grenze. Meldungen über Tote und Schäden sind so unüberschaubar, dass an dieser Stelle keine Mutmaßungen vorgenommen werden. Überhaupt entwickelt sich neben dem Kampf um den Tempel auch immer mehr jener um die Deutungshoheit. Kambodscha stellt Thailand konsequent als Aggressor dar, was die Regierung in Bangkok ebenso ausdauernd bestreitet. Dennoch ist auffällig, wie selbstverständlich und offensiv Kambodscha in dieser für die Weltöffentlichkeit nicht ganz unbedeutenden Frage agiert und wie defensiv Thailand reagiert.
Auch Falschmeldungen sollen die Kampfmoral des Gegners schwächen: So spricht Thailand laut AFP von 64 toten kambodschanischen Soldaten, nachdem die Gegenseite schon am Wochenende von mehr als 30 thailändischen Kämpfern sprach, die offenbar ums Leben gekommen seien – bestätigt sind gerade einmal eine gute handvoll Menschen, die bisher durch die Kampfhandlungen umkamen. Offensichtlich ist nun auch der eigentlich als seriös geltende Sender Radio Free Asia zwischen die Räder der Propaganda geraten: Sofern die Übersetzung zutreffend ist, hätten thailändische Truppenführer die Parole ausgerufen, alles zu unternehmen, um den Tempel Preah Vihear einzunehmen – koste es was es wolle. Thailand plane daher den Einsatz von Kampfflugzeugen und Giftgas.
Es sind gewöhnlich solche – zumindest bezogen auf das Giftgas – aus dritter Hand gerüchteweise lancierten (Falsch-)Meldungen, die lokal begrenzte Konflikte anfeuern, in dem sie Ängste bei den beteiligten Menschen schüren und Überreaktionen provozieren. Eine weitere Eskalation scheint nicht nur deswegen weiterhin möglich; vorsorglich evakuieren die Thailänder (in weiser Voraussicht?) weiter die Zivilbevölkerung aus der Gegend – ähnliches lässt sich auf kambodschanischer Seite (leider) nicht berichten.
Die Schäden am Tempel Preah Vihear sind nicht ganz unbegründet: Die zum Weltkulturerbe der UNESCO gehörende Ruine liegt zumindest auf dem Patrouillenweg kambodschanischer Soldaten. Fotos zeigen, wie sie dort im Schatten der Mauern eine Pause machen. Die Geschichte vieler Kriege hat gelehrt, dass in einem bewaffneten Konflikt immer dorthin geschossen wurde, wo der Feind erkannt oder vermutet wird. Will Kambodscha also den Tempel schützen, sollten sie dort einfach keine Soldaten mehr hinschicken – nun ganz so einfach ist es auch nicht, denn dann läge er wie auf dem Präsentierteller für Thailands Truppen.