Am 28. Juli sind die Kambodschaner an die Wahlurnen gerufen, um turnusgemäß ihr Parlament, die Nationalversammlung, neu zu wählen. Und obwohl eine Parlamentswahl in Kambodscha noch nie darüber entschieden hat, wie die politischen Machtverhältnisse zu verteilen sind, wird die öffentliche Berichterstattung zunehmend von diesem näher rückenden Ereignis bestimmt. Erneut steht vor allem das Dauerthema der Fairness im Mittelpunkt, oder besser gesagt, wie wenig unfair die Wahlen ablaufen werden. Die Dominanz von Hun Sens regierender Kambodschanischer Volkspartei (KVP) wird auch in diesem Jahr wieder erdrückend sein; insbesondere der Zugriff auf praktisch alle relevanten Radio- und Fernsehsender – die einzigen Medien, die im ganzen Land empfangen werden können – und die Nutzung der staatlichen Infrastruktur im Wahlkampf der KVP gelten wie in den Jahren zuvor als Fundament zur Eliminierung eines fairen parteipolitischen Wettbewerbs. Zur Sicherheit der Regierung wurde außerdem von langer Hand geplant, den charismatischen Anführer der vereinigten Opposition – die neugegründete Cambodian National Rescue Party (wahlweise CNRP oder NRP abgekürzt) – als Kandidaten erst gar nicht zuzulassen. Sam Rainsy, der seit über drei Jahren im Ausland einer langjährigen, politisch motivierten Haftstrafe aus dem Weg geht, ist und bleibt jedoch die zentrale Figur der Opposition, dessen Abwesenheit sich gewiss im Wahlergebnis widerspiegeln wird. Alleine sein mutwilliger Ausschluss wird ausreichen, diese Wahlen als quasi-demokratisches Possenspiel beurteilen zu müssen. Zwar gibt es noch leise Hoffnungen, dass Hun Sen dem internationalen Druck nachgibt und eine Rückkehr Sam Rainsys ermöglicht, aber das Zeitfenster dafür wird in rund zwei Monaten, wenn die Wahllisten beschlossen seien müssen, endgültig geschlossen sein.
Dass sich sogar die US-Regierung vor und hinter den Kulissen für Sam Rainsy einsetzt, zeigt, wie wichtig sein Schicksal für die Parlamentswahlen ist. Michael Posner aus dem US-Außenministerium bringt es bei AFP auf den Punkt:
“The credibility of these elections will be judged by whether the political opposition is allowed to participate fully and fairly. […] The government needs to take concrete steps to ensure a level playing field so that all political participants — representing a wide range of views — are able to compete fairly in the July elections, including Sam Rainsy.”
Noch stoßen solche Forderungen bei der kambodschanischen Regierung auf taube Ohren. Dort verweist man auf eine angebliche „richterliche Unabhängigkeit“, die tatsächlich so wenig entwickelt ist wie eisfreie Winter in Deutschland. Fragt man bei der Opposition nach, deren ehemaligen Einzelparteien SRP und HRP bei den Gemeinderatswahlen 2012 auf zusammen 30% der Stimmen gekommen waren, habe die Regierung vor weiteren Zugewinnen der CNRP schlichtweg „Angst“. Wohl aber weniger vor einem Regierungsverlust als eher vor institutionellen Möglichkeiten im 123 Mitglieder zählenden Parlament: 30 Abgeordneten könnten beispielsweise ein Regierungsmitglied verpflichten, sich gegenüber der Nationalversammlung zu erklären, und 42 Parlamentarier reichen aus, um Sitzungen zu blockieren, in denen laut Voice of America „für das Land schädliche Gesetze verabschiedet werden können“ – eine etwas ungeschickte Formulierung für ein Zwei-Drittel-Anwesenheitsquorum bei Parlamentsabstimmungen.
Interessant werden die Parlamentswahlen dann wohl doch nur, wenn man sie sich aus dem Blickwinkel der personellen Veränderungen innerhalb des Regimes anschaut. Insbesondere die Verfestigung der dynastischen Elemente sticht ins Auge. Zwar ist noch nichts offiziell, aber laut Cambodia Daily plant Hun Sen anscheinend, mindestens zwei seiner drei Söhne mit einem Abgeordnetenmandat auszustatten. Dabei verläuft deren Karriere eigentlich in den Streitkräften: Hun Maneth, mit 35 Jahren der älteste Sprössling, ist immerhin schon zum Generalmajor aufgestiegen und mit zahlreichen militärischen Aufgaben betraut worden. Hun Manith, 31, ist immerhin schon Oberst (Anmerkung: der „zivile“ Premierminister Hun Sen ist neben Parlamentspräsident Heng Samrin und Senatspräsident Chea Sim einer von drei Fünf-Sterne-Generälen) und nimmt unter anderem eine sehr einflussreiche Position im Militärgeheimdienst ein. Der 30-jährige Hun Many schließlich führt die Jugendorganisation der KVP an.
Würden diese Personalentscheidungen tatsächlich realisiert, wird Hun Sen nicht nur seine persönliche Macht weiter ausbauen, sondern gleichzeitig Kambodschas Staatsinstitutionen im Allgemeinen und das Parlament im Besonderen weiter schwächen. Aktive hohe Offiziere der Streitkräfte als Volksvertreter – in funktionierenden Demokratien wäre das unmöglich. Aber Kambodscha wird bekanntlich nur auf dem Papier demokratisch regiert, daran werden auch die kommenden Parlamentswahlen zum wiederholten Male nichts ändern.
Vielleicht kommt aber Rettung aus Europa: Die EU hat angekündigt, Kambodscha auch in diesem Jahr unterstützen zu wollen, um freie und faire Wahlen zu gewährleisten. Für Hun Sen ist das eigentlich eine gute Nachricht, denn mit der EU an seiner Seite bekommen seine Wahlen sogar einen seriösen Anstrich. Umgekehrt darf man nur hoffen, dass die EU ihren Einfluss geltend macht, um die schlimmsten Tricksereien zu verhindern. Welchen Sinn die Unterstützung aber macht, wenn Sam Rainsy von den Parlamentswahlen ausgeschlossen bleibt, ist hingegen nicht erkennbar.
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