Es wird ungeachtet des Ergebnisses ein historisches Ereignis sein: Erstmals in der Geschichte Kambodschas werden sich hunderttausend Menschen und mehr zusammenfinden, um für ein politisches Anliegen zu demonstrieren. Das hat es noch nie gegeben, und deswegen könnte für Kambodscha der 7. September 2013 einst das symbolisieren, was für die Amerikaner der 16. Dezember 1773, für die Franzosen der 14. Juli 1789 und für die Deutschen der 18. März 1848 bedeutet. Damit der Tag aber zumindest nicht so endet wie damals in Berlin, wird die zu der Demonstration ausrufende Partei zur Rettung der Kambodschanischen Nation (PRKN/CNRP) nicht müde zu betonen, dass es sich um eine friedliche Versammlung handeln soll und keineswegs geplant sei, die Regierung zu stürzen oder nach dem Vorbild Mahatma Gandhis in anderer Form Gewalt zu schüren. Die Kundgebung soll anstatt dessen ruhig und besinnlich verlaufen und eher an ein Gebet erinnern – was einige Anhänger der Opposition allerdings kritisieren.
Hintergrund der Demonstrationen ist die Ankündigung der Nationalen Wahlkommission, am 8. September das offizielle Wahlergebnis und damit den Sieg der regierenden Kambodschanischen Volkspartei (KVP) bekanntzugeben. Aufgrund massiver Unregelmäßigkeiten erkennt die oppositionelle PRKN dies jedoch nicht an und sieht sich selbst als Wahlsieger. Versuche, auf dem Verhandlungsweg eine Lösung zu finden, waren in den letzten Wochen gescheitert. Einige halbherzig anmutende Versuche gibt es zwar auch in dieser Woche noch, aber niemand erwartet dort ein Ergebnis, mit dem sowohl die PRKN als auch die KVP leben könnten.
Und so trainieren beide Seiten seit letztem Wochenende in der Hauptstadt Phnom Penh für den kommenden Samstag. Auf der einen Seite die Opposition, die in Rollenspielen und mit der Unterstützung internationaler Berater deeskalierendes Verhalten übt. Dazu wurde sogar ein 17 Punkte umfassender Verhaltenskodex veröffentlicht, an den sich alle Demonstranten halten mögen. Doch PRKN-Parteichef Sam Rainsy fürchtet vor allem Provokateure der KVP, die als Teilnehmer getarnt für Ausschreitungen sorgen und der Regierung einen Vorwand geben könnten, gegen die Demonstranten vorgehen zu können. Vorsorglich hatten bereits Regierungsvertreter darauf hingewiesen, die höchsten Repräsentanten der Opposition zur Verantwortung ziehen zu wollen, falls es am Samstag nicht friedlich bliebe.
Um gerüstet zu sein, trainieren daher auf der anderen Seite – genauer gesagt auf Koh Pich, der Diamanteninsel – die Einsatzkräfte der Polizei, unter anderem den Einsatz von Wasserwerfern. Besorgniserregend bleibt indes die Stationierung von schwerem militärischem Gerät, insbesondere von Mannschaftstransportwagen und leichten Schützenpanzern. Um die absehbar schwierige Lage in Phnom Penh etwas zu entschärfen, hat Innenminister Sar Kheng nun angeordnet, auch in den Provinzhauptstädten Zonen für Kundgebungen – sogenannte Freedom Parks – einzurichten, um so Menschen dazu zu bewegen, die Fahrt in die Hauptstadt nicht anzutreten. Ein durchaus bemerkenswerter Vorgang: Das Regime räumt den Menschen zusätzliche Freiheitsrechte ein, allerdings eher unfreiwillig und aus der Not geboren.
Was letztendlich die Frage aufwirft, ob das Regime dann nicht doch etwas liberaler ist, als von der Opposition und Menschenrechtsgruppen behauptet wird. Selbstverständlich spricht allein die Tatsache, dass eine solche Massendemonstration am Samstag stattfinden kann, auch für die Regierung. Doch sie wird immer noch zu Recht an ihren Taten der Vergangenheit gemessen, die in der Regel von Gewalt geprägt waren. Vielleicht hat aber auch Hun Sen einsehen müssen, dass er „sein“ Land nicht mehr so unter Kontrolle hat wie noch vor einigen Monaten – und er eine solche Massendemonstration eigentlich kaum verhindern kann. Trotzdem bleibt abzuwarten, was am Samstag und danach konkret passieren wird, Restzweifel ob der Friedlichkeit sind durchaus berechtigt. Die kambodschanische Regierung hat daher verständlicherweise Ausländer aufgerufen, die Kundgebung zu meiden. Dem kann man sich nur anschließen, ungeachtet des historischen Ereignisses.
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