Wurde der Opposition tatsächlich der Wahlsieg gestohlen? Was bisher hauptsächlich von der Partei zur Rettung der Kambodschanischen Nation (CNRP/PRKN) behauptet wird, beschäftigt auch unabhängige Beobachter zunehmend. Dabei geht es längst nicht mehr alleine um chaotische Wählerlisten, Überregistrierungen und abwaschbare Tinte (siehe dazu auch Video 1 und Video 2), sondern auch um den Umgang mit diesbezüglichen Wahlbeschwerden. Ob es letztendlich ein kluger Schachzug der Nationalen Wahlkommission (NWK) war, die Stimmzettel aus dreizehn umstrittenen Wahllokalen in der Provinz Kratie öffentlich nachzuzählen, darf man nach den schockierenden Überraschungen am Sonntag getrost verneinen: Wie der Cambodia Daily berichtet, waren die Siegel von fünf der dreizehn Beutel mit den Stimmzetteln entweder entfernt oder beschädigt; außerdem wich der Inhalt aller Beutel von den Ergebnissen ab, die zuvor an die NWK gemeldet worden waren.
Die Konsequenzen sind glasklar: Die entsiegelten Beutel können manipuliert sein, das Wahlergebnis ist daher automatisch unglaubwürdig, eine Neuwahl zwingend erforderlich. Da es sich hier wohl um eine mehr oder weniger zufällige Stichprobe handelt, müssten darüber hinaus weitere Beutel aus ganz Kambodscha überprüft werden, sicherheitshalber alle. Nicht nur um festzustellen, wo überall neu gewählt werden muss, sondern um zunächst abzugleichen, ob der Inhalt mit den Meldungen an die NWK übereinstimmt. Selbst das ist nach jetzigem Kenntnisstand eindeutig zu verneinen. Denn dass diese Entdeckung aus Kratie purer Zufall gewesen sein soll, liegt außerhalb aller statistischer Wahrscheinlichkeit.
Dabei stehen die großen Berichte der Wahlbeobachterorganisationen noch aus. Der erste kleinere wurde heute von LICADHO publiziert. In ihm präsentiert die renommierte Menschenrechtsorganisation zahlreiche Beispiele von Unregelmäßigkeiten und offensichtlichen Betrugsversuchen. In einem Statement der Direktorin Naly Pilorge heißt es dazu:
“The number of instances where our relatively few observers were able to witness such clear indications of fraudulent activity was somewhat surprising. […] We were expecting significant issues with the voter rolls, especially in light of earlier reports of ghost voters, drastic over-registrations and the like, but the indications of vote rigging we saw went beyond that.”
Klarer kann man sich dazu eigentlich nicht äußern – jedenfalls nicht in einem Land, in dem Menschen für ihre freie Meinungsäußerungen schon mit ihrem Leben bezahlt haben. Aber die Rückschlüsse sind dennoch unzweideutig: Das, was die Welt am 28. Juli sah, hat mit annähernd freien und fairen Wahlen nichts gemein, und jeder amtierende Regierungschef, der sich zur Fortsetzung seiner Herrschaft auf diese Wahlen beriefe, besäße keinerlei demokratische Legitimation. Angesichts der hohen Abhängigkeit von internationaler Entwicklungszusammenarbeit bekommen die Wahlen daher ganz sicher nun auch eine außenpolitische Dimension und setzen vor allem die EU und ihre Mitgliedsstaaten unter Zugzwang.
Denn wer will jetzt noch ernsthaft behaupten, Hun Sen sei ein nach demokratischen Maßstäben legitimer Repräsentant Kambodschas und dadurch berechtigt, weiter Millionensummen aus Europa nach seinem Gusto zu verwenden?
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