Von den zahlreichen Faktoren, die den parteipolitischen Wettbewerb bei Wahlen in Kambodscha begrenzen, wirken Einschränkungen des Wahlrechts am schwersten. Nicht nur, dass Oppositionsführer Sam Rainsy weiterhin das passive Wahlrecht abgesprochen wird, kommen erstmals ernstzunehmende Hinweise, dass auch Wähler systematisch vom Urnengang am 28. Juli abgehalten werden sollen. Grundlage für diesen Verdacht ist eine großangelegte, repräsentative Studie, die das amerikanische National Democratic Institute (NDI) gemeinsam mit der kambodschanischen Organisation NICFEC im Februar mit fast 4900 Befragten im ganzen Land durchgeführt hat. Sie räumt vor allem mit der Legende auf, nach der in Kambodscha 102% aller potentiellen Wähler als solche registriert seien (die über 100% liegende Zahl ergibt sich wahrscheinlich aufgrund von einigen Doppelregistrierungen). Im Rahmen der Stichprobe wurde dagegen nur ein Anteil von 82,9% festgestellt – 17,1% aller möglichen Wähler sind demnach nicht registriert und werden nach aktuellem Stand nicht an den Parlamentswahlen teilnehmen dürfen. 2008 betrug deren Anteil lediglich 12,1%.
Da es keinen Wahlzwang gibt, ist diese Zahl erst einmal nicht besonders spektakulär: Wer eben nicht wählen möchte, sollte durchaus zu Hause bleiben dürfen. Für die große Mehrheit der nicht registrierten Wähler (10,8%) war dies jedoch eine Überraschung: Sie waren der festen Überzeugung, registriert zu sein und an der Wahl teilnehmen zu können – werden es aber wohl nicht dürfen. Die Studie widmete sich außerdem der Frage, ob alle gelisteten Personen auch tatsächlich existierten. Völlig unproblematisch war das allein bei nur 63,6%, 17,1% würden dagegen mittlerweile hauptsächlich woanders leben, weitere 7,4% seien sogar vollständig umgezogen. Neben einem kleinen Anteil von Verstorbenen blieben dann noch 10,4% an gelisteten Personen, die völlig unbekannt waren (Grundlage waren umfangreiche Befragungen in den Gemeinden und Dörfern) – eben jene potentiellen Geisterwähler.
Die Frage, warum einige Personen nicht auf der Liste stehen, andere wiederum erfunden werden, liegt laut Opposition auf der Hand: Ihrer Meinung nach läge hier eine Entrechtung ihrer Anhänger vor, denn schließlich kontrolliert die regierende Kambodschanische Volkspartei (KVP) nicht nur knapp 99% aller für die Wählerlisten zuständigen Gemeinderäte, sondern auch die komplette Wahladministration. Und mit den Identitäten der Geisterwähler würden an den Wahltagen häufig in Kambodscha lebende Vietnamesen ausgestattet, die aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit eigentlich gar nicht wählen dürften, aber als loyale Unterstützer der KVP gelten.
Ob es sich aber tatsächlich um eine zentral orchestrierte Manipulation der Wählerlisten handelt, kann die Studie naturgemäß nicht beantworten. Eines ist aber kaum von der Hand zu weisen: Bei von der Nationalen Wahlkommission (NWK) genannten 9,6 Millionen Wählern und einer geschätzten Wahlbeteiligung von 75% können eine knappe Millionen entrechteter Wähler und eine weitere knappe Millionen Geisterwähler die Parlamentswahlen in einem unfreiwilligen Zusammenspiel in eine Richtung entscheiden – wohlgemerkt in einem Land, dessen Regierung sich bei der Einhaltung demokratischer Spielregeln schon immer sehr schwer getan hat. Die Studie ist aber nicht nur ein Schlag ins Gesicht einer entweder völlig inkompetenten oder parteipolitisch verpflichteten Wahlkommission, sondern wirft schon vorher einen so großen Schatten auf den letzten Sonntag im Juli, dass ohne schnelle und gründliche Korrekturen der Listen die Glaubwürdigkeit der Wahlen und damit auch ihrer Ergebnisse nicht mehr gegeben ist.
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