Kambodschas Premierminister Hun Sen hat seinem Land einen „Bürgerkrieg“ prophezeit, falls die oppositionelle Cambodia National Rescue Party (CNRP) im Juli die Parlamentswahlen gewinnen sollte. Wie Radio Free Asia berichtet, bezog sich der Regierungschef dabei nicht nur auf Forderungen der größten Oppositionspartei, weitere ehemalige Topkader der Roten Khmer vor Gericht zu stellen, sondern offenbarte auch ganz eigene Absichten: „Ich werde niemandem erlauben, mich so ohne weiteres verhaften zu lassen.“ Er werde auch „umgehend reagieren“, falls dies „irgendjemand probieren“ sollte.
Dass es dazu Anlass geben könnte, ist nach einigen politisch motivierten Ermordungen in den 90er Jahren jedenfalls nicht völlig abwegig – insbesondere aufgrund des Putsches von Hun Sen gegen seinen royalistischen Koalitionspartner FUNCINPEC 1997 und das Attentat auf Sam Rainsy einige Monate zuvor. „Geschichte wird sich wiederholen…ein Krieg im Inneren wird definitiv ausbrechen, falls [Oppositionsführer Sam Rainsy] die Wahlen gewinnt“ – so zitiert die Phnom Penh Post den Premierminister, und da darf einem durchaus ein kalter Schauer den Rücken runterlaufen.
Dass sich Hun Sen seit Ende 1984 im Amt des Premierministers hält, hat vor allem mit seiner mehrere tausend Mann starken Leibwächtermiliz zu tun, die ihm persönlich verpflichtet ist und die über die beste Ausrüstung aller waffentragenden Gruppen Kambodschas verfügt. Ihr innenpolitisches Potential ist kaum zu unterschätzen, und daher handelt es sich bei der Äußerung Hun Sens nicht um irgendein rhetorisches Kalkül, sondern um eine unmissverständliche Drohung, die in Kambodscha jeder versteht. Und dass die meisten Khmer, vor allem in den ländlichen Gegenden, nach wie vor verängstigt ihre Stimme abgeben, basiert eben auf solchen Drohungen.
Zyniker haben in der Vergangenheit bei Wahlsiegen der Kambodschanischen Volkspartei (KVP) argumentiert, die Menschen hätten eben „Stabilität“ und „Kontinuität“ gewählt. Doch damit wird einzig und allein Gewalt und ihre glaubwürdige Androhung als legitimes Wahlkampfmittel akzeptiert. Frei nach der Losung: Wahlen in Kambodscha funktionieren nur so lange wie die KVP und Hun Sen gewinnen. Wenn zu viele Khmer die Opposition – erst die FUNCINPEC, danach die Sam Rainsy Party (SRP), nun die CNRP – wählen, sind sie selbst schuld, denn dann werden sie in Zukunft eben überhaupt nicht mehr wählen dürfen.
Der Wert von Wahlen ergibt sich aber erst durch den Wettbewerbscharakter und durch die tatsächlich existierende Möglichkeit eines Machtwechsels. Ersteres wird massiv eingeschränkt, vor allem durch wahrscheinliche Manipulationen der Wählerlisten und durch den Ausschluss des Oppositionsführers Sam Rainsy, und das zweite ist reines Wunschdenken. So sind die kommenden Parlamentswahlen nicht mehr als ein internationales Placebo, mit denen westliche Regierungen ihre Partnerschaft mit einer angeblich legitimen Regierung Kambodschas weißwaschen können. Und weil Diplomaten und Entwicklungshelfer ahnen, was kommen kann, wenn die Opposition „zu viele“ Stimmen erhält, hoffen sie auf einen eindeutigen Wahlausgang zu Gunsten Hun Sens. Auch in China und Vietnam, die beide undemokratisch regiert werden, hat man mit Hun Sen einen weitgehend verlässlichen Partner gefunden, für den sie derzeit keine Alternative erkennen.
Niemand, außer den Khmer, hat also Interesse an einem Wahlsieg der CNRP.