Premierminister Hun Sen zeigt sich auch weiter hochgradig aggressiv angesichts eines möglichen – eher theoretischen – Machtverlusts nach 28 Jahren im höchsten Regierungsamt Kambodschas. Seine öffentlichen Auftritte zeugen derzeit weniger von staatsmännischer Souveränität, sondern von einem unbändigen Willen, jedes Mittel nutzen wollen, um weiterhin regieren zu können. Seinen aktuellen Gassenhauer wiederholt er nun bei jeder Gelegenheit: Kambodscha wird im Bürgerkrieg versinken, der sich auch auf die Nachbarländer ausdehnen wird – falls seine regierende Kambodschanische Volkspartei (KVP) am 28. Juli der Opposition unterliegen sollte. Die wolle, wie die Phnom Penh Post Hun Sen zitiert, sogar die Pagoden des Landes zerstören, käme sie an die Macht.
Diese Einschüchterungstaktik hat seit zwei Jahrzehnten Tradition in Kambodscha. Ohne sie könnte die KVP kaum jene Mehrheiten erringen, die sie zur Regierungsbildung benötigt. Jeder Kambodschaner weiß, was mit ihnen gemeint ist, schließlich kontrolliert Hun Sen die wichtigsten Kampftruppen über getreue Gefolgsleute persönlich. Dass die Khmer nach wie vor sehr anfällig auf Bedrohungen und Einschüchterungen dieser Art reagieren, zeigt, wie weit entfernt sie sind von Bewegungen des Arabischen Frühlings oder der thailändischen Rothemden. Doch völlig auszuschließen sind sie nicht: Die vereinigte Oppositionspartei Cambodia National Rescue Party (CNRP) hat sich noch nicht für die Parlamentswahlen registriert, ein Boykott liegt daher nach wie vor im Bereich des Möglichen.
Die Entscheidung wird der CNRP nicht leicht fallen, stellen die Abgeordnetendiäten doch einen wichtigen finanziellen Aspekt für die gesamte Oppositionsarbeit dar. Letztendlich wird sie trotz der zahlreichen Knüppel, die ihr zwischen die Beine geworfen werden, wohl an den Wahlen teilnehmen, da ihr für die nahliegende Alternative – Massenproteste in der Hauptstadt, Generalstreik in der Bekleidungsindustrie – dann doch die ausreichende Mobilisierungsfähigkeit fehlt. Niemand rechnet daher ernsthaft mit einem Machwechsel in Phnom Penh. Dass Hun Sen dennoch bereits zwei Monate vor dem Beginn des offiziellen Wahlkampfs so aggressiv agiert, lässt nichts Gutes erahnen – wie will er das noch steigern? Es ist deswegen leider zu befürchten, dass es nicht bei verbalen Verunglimpfungen der CNRP bleibt, die auch durch Regierungsbehörden – wohlgemerkt nicht (nur) durch die KVP – betrieben wird.
Doch die Medaille hat auch eine Kehrseite: Hun Sen muss sich, obwohl formal nur ihr Vizepräsident, im Wahlkampf auch als unumstrittener Führer seiner Partei beweisen. Dort werden mit den Parlamentswahlen nun die ersten Schritte in Richtung Generationenwechsel eingeleitet. So sollen Sar Sokha, Sohn von Innenminister Sar Kheng, Cheam Chansophoan, Sohn vom Abgeordneten Cheam Yeap sowie Hun Many und Dy Vichea – Sohn und Schwiegersohn von Hun Sen – in die Nationalversammlung einziehen. Andere werden angesichts dieser dynastischen Tendenzen dann ins dritte oder vierte Glied zurücktreten müssen. Anzeichen für Unzufriedenheit gibt es deswegen schon, und die könnte noch zunehmen, wenn weitere KVP-Politiker ihr Mandat bei einem schlechteren Abschneiden ihrer Partei als 2008 verlören.
Somit dienen die Attacken auf die Opposition auch innerparteilichen Zielen. Doch der Kollateralschaden ist enorm: Nebenbei senkt Hun Sen die politisch-konstitutionelle Entwicklung Kambodschas auf das Niveau einer unmittelbaren Post-Konflikt-Gesellschaft und büßt außenpolitisch erneut eine Menge Ansehen ein. Doch der Premierminister geht davon aus, dass er selbst kaum von dem Gift kosten wird, dass er aktuell versprüht.
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