Mittlerweile schon 456 Todesopfer

24. November 2010

Die Zahl der Todesopfer der Massenpanik am Montag ist laut einem kambodschanischen Regierungssprecher auf mittlerweile 456 angestiegen (zwei Drittel von ihnen Frauen und Kinder), fast 800 Menschen wurden verletzt. Noch immer lähmt der tragische Vorfall das ganze Land; gestern kamen dutzende Mönche zur Unglücksstelle, um für die Opfer zu beten. Derweilen verlangte ihre Identifizierung den suchenden Verwandten alles ab: Auf einer Stellwand wurden Fotos der Toten mit teilweise stark entstellten Gesichtszügen veröffentlicht. Unweigerlich fühlt man sich an das Tuol Sleng-Genozid-Museum erinnert, wo noch heute die Fotos der Folteropfer Roten Khmer besichtigt werden können.

Wie die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtet, soll auf der Insel im Gedenken an die Opfer eine Stupa errichtet werden. Neben dieser Geste soll auch Geld fließen, aber nicht ohne Hintergedanken: Mit den Entschädigungszahlungen – 1000 USD pro Todesopfer, 200 USD pro Verletztem – dürfte die juristische Aufarbeitung praktisch beendet sein, da diese strafrechtliche Ermittlungen ersetzen können. Eine solche war jedoch sowieso nicht zu erwarten gewesen: AP berichtet, dass Pung Khiav Se, der Inhaber der bekannten Canadia Bank, ein guter Bekannter von Premierminister Hun Sen sei. In einem der zahlreichen und höchst umstrittenen Landdeals hatte er 2006 Koh Pich („Diamanteninsel“) übernommen, und ihm gehört auch die Brücke, die zur Todesfalle wurde. Vielleicht wird man angesichts der kaum fassbaren Dimension der Tragödie noch ein Bauernopfer finden, aber in diesem Fall sollte man aus Deutschland nun wirklich nicht mit dem Finger auf Kambodscha zeigen, bedenke man nur, wie hierzulande die Massenpanik der Duisburger Loverparade aufgearbeitet wird.

Dennoch darf man vor den zahlreichen Unzulänglichkeiten nicht die Augen verschließen. Wie Spiegel Online völlig korrekt berichtet, waren Phnom Penhs Krankhäuser in der Nacht zum Dienstag völlig überfordert gewesen. Lebensbedrohliche Erkrankungen oder, wie in diesem Fall, schwer verletzte Menschen können auch im großen und besten Krankenhaus des Landes, dem Calmette, nur ansatzweise versorgt werden. Auch die Fernsehbilder hätten Mängel in der Katastrophenversorgung offenbart: Verletzte wurden ohne jedwede Hilfsmitteln getragen, Reanimationsversuche wirkten hilflos und nicht den gängigen Vorgehensweisen entsprechend. Auch die Polizei steht, wie so häufig, in der Kritik: Wie in fast jedem Jahr hat sie es auch dieses Mal wieder nicht geschafft, das Chaos in den Griff rund um das Wasserfestival zu bekommen, wofür vor allem Überforderung und mangelnde Professionalität – vor allem im Bezug auf robuste Einsatzpläne – ausschlaggebend sind.

Letztendlich sind auch diese bedauernswerten Zustände auch eine Folge von Misswirtschaft und Korruption. Dennoch sind langfristige politische Verschiebungen zu Ungunsten der regierenden Kambodschanischen Volkspartei, die etwa von Reuters diskutiert werden, kaum zu erwarten, denn dafür sitzt Hun Sen zu fest im Sattel – trotz Wahlen.

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