7. Januar 2011
Am 7. Januar 1979 befreiten vietnamesische Truppen Phnom Penh von den Roten Khmer. Das Nachfolgeregime, das sich bis heute an der Macht hält, hat daraus seinen sakralen Gedenktag gemacht. Der 7. Januar war lange Zeit das Fundament der eigenen politischen Legitimität; auch heute berufen sich noch Premierminister Hun Sen und seine regierende Kambodschanische Volkspartei (KVP) auf die damaligen Ereignisse, aber ihre Beschwörungen klingen heute, 32 Jahre danach, nur noch als ein Echo längst vergangener Tage, das selbst bei der eigenen Bevölkerung nicht mehr ankommt. Denn das Regime steht zu sehr auf eigenen Füßen, und viele Probleme wie Korruption, land-grabbing und andere Menschenrechtsverletzungen begründen auf eigenen Politiken und sind weniger ein unmittelbares Erbe der Roten Khmer. Für die Vietnamesen standen damals andere Erwägungen im Vordergrund, als die Kambodschaner vom Terror zu befreien, aber sie erkannten schnell, dass sie so ihre Besetzung propagandistisch als eine Befreiung verkaufen konnten. Sie blieben dann noch bis 1989, aber wirklich frei sind die Kambodschaner bis heute nicht, denn dafür sorgt die autokratische Regierung.
Das ist auch der Kern der Kritik, der aus den Reihen der Opposition vorgebracht wird. Wie die Phnom Penh Post nun berichtete, reagiert Hun Sen darauf doch ziemlich dünnhäutig: Der 7. Januar habe alles und jeden befreit, inklusive Gespenster und böse Geister und selbst die Köpfe derer, die den 7. Januar verfluchten. Niemand will Hun Sen auch absprechen, dass nahezu jede Alternative zum Terror der Roten Khmer besser ist, aber er hat es bis heute nicht geschafft, Argumente jenseits dieses doch sehr bescheidenen Anspruchs vorzubringen. Hinzu kommt, dass er und viele andere heutige Spitzenpolitiker schon Kader der Roten Khmer waren, die 1975 in die Hauptstadt einmarschierten. Dazu mal ein selbstkritisches Wort? Fehlanzeige!
So ist es für den flüchtigen Oppositionsführer Sam Rainsy auch ein leichtes, an dieser Stelle abzustauben und einen leichten politischen Treffer zu erzielen: Er weist daraufhin, dass es die Vietnamesen selbst waren, die Anfang der 70er Jahre die Roten Khmer massiv aufrüsteten, um im Krieg gegen die mit der USA verbündete Republik Kambodscha eine zweite Front zu errichten.
Blickt man in diesen Tagen in die Presse, drängt sich auch eher der Eindruck auf, dass Freiheit in Kambodscha ganz anders ausgelegt wird als in anderen Gefilden. Nichtregierungsorganisationen beklagen ein demnächst zu verabschiedendes Gesetz, das ihre Anliegen regulieren soll, als die „ernsthafteste Bedrohung der Zivilgesellschaft seit Jahren“, so die Phnom Penh Post. Sam Rainsy grüßt, wie gesagt, aus dem Exil – sieht so eine liberale Demokratie aus? Chea Sim, Präsident der KVP und wohl immer noch gesundheitlich angeschlagen, fordert laut AFP, der hybride Gerichtshof gegen die noch lebenden Topkader der Roten Khmer solle die nationalen Leistungen sichern, insbesondere den schwer erkämpften Frieden (was für ein sprachliches Bild!) und die Stabilität. Kein Wort von Aufarbeitung oder Gerechtigkeit. Aber warum bloß?
Frieden, Freiheit, Wohlstand und Stabilität sind Begriffe, die lediglich auf die Führer des Regimes und ihre Clans anwendbar sind. Man sieht und hört hier den Selbsterhaltungstrieb eines Regimes, das fest im Sattel sitzt und sitzen bleiben möchte. Der Großteil der Bevölkerung verharrt dagegen unfrei in Armut und sieht sich zunehmend staatlich-wirtschaftlichen Eingriffen in Form von land-grabbing ausgesetzt, die die eigene Lebensgrundlage zerstören. Der 7. Januar 1979 ist daher aus Deutscher Perspektive eine Mischung aus dem 8. Mai 1945, als die Nazis kapitulierten, und dem 7. Oktober 1949, als die DDR gegründet wurde. Einen 9. November 1989 es in Kambodscha aber noch nicht gegeben.