Immerhin: Vor zehn Jahren wäre der Schütze, der Montag vergangener Woche drei Näherinnen verletzte, wohl noch völlig ungestraft davon gekommen. Doch die Zeiten haben sich geändert, und vor allem die hohe Anzahl von Zeugen macht es der Regierung unmöglich, den Vorfall auszusitzen oder unter den Teppich zu kehren. Allerdings bedeutet das allein noch lange nicht, dass die kambodschanischen Ermittlungsbehörden zügig die Aufklärung vorantrieben. Niemand verkörpert die Schwierigkeiten, wenn die Kambodschanische Volkspartei (KVP) gegen einen der ihren vorgehen muss, aktuell besser als Innenminister Sar Kheng: Einen Tag nach der Schießerei in Bavet verkündete er, man habe den Schützen zweifelsfrei identifiziert. Doch diese Aussage zog er kurz danach zurück: Er wisse nicht, wer geschossen habe. Daran hielt er sogar noch fest, als bereits öffentlich heftig über die Täterschaft von Bavets Stadtgouverneur Chhoukh Bandith spekuliert wurde. Sar Kheng, einer von zehn stellvertretenden Premierminister, schloss sich dieser Meinung nun an – und wirkte damit eher als ein Getriebener denn als oberster Polizist.
Denn der Druck kommt nun auch aus Deutschland, denn Sportartikelhersteller PUMA scheint auf einer Anklage von Chhouk Bandith zu bestehen. Doch obwohl nicht weniger als der Produktionsstandort für Schuhe und Textilien auf dem Spiel steht, geht das Zaudern weiter: Meldungen, nach denen der KVP-Politiker festgenommen sei, wurden schnell dementiert; er befindet sich ganz offensichtlich (noch) auf freiem Fuß und versucht, wie die Phnom Penh Post berichtet, seine Haut zu retten: Die durch die Schüsse schwerverletzte Buot Chinda selbst und ihre Familie wurden einmal vom Täter selbst und ein weiteres Mal von sieben Polizisten aus Bavet aufgesucht, die angeblich rund 500 US-Dollar für einen Klageverzicht anboten, die von Men Sam An, einer weiteren stellvertretenden Premierministerin der KVP, aufgebracht worden seien. Unwissend, was sie da unterzeichnen, sollen die Betroffenen in der Tat formal zugestimmt haben.
In Kambodscha gibt es nach wie vor kein Strafrecht, sondern die Möglichkeit, mit Opfern zivilrechtliche Vereinbarungen zu treffen, die zur Einstellung weiterer Ermittlungen führen. Trotz des immensen Wohlstands derjenigen Täter, die aus dem Umfeld führender Politiker, Unternehmer und Polizei- wie Militäroffiziere stammen, bleiben die Entschädigungssummen – wie in diesem Fall – lächerlich gering. Sar Khengs Zögern kann daher durchaus ein Zugeständnis an den Täter gewesen sein, um ihm genügend Zeit für diese Verhandlungen einzuräumen, einen Sündenbock zu präsentieren oder nach Vietnam zu flüchten. Oder um Legenden vorzubereiten und abzusprechen, wie etwa folgende: Ein Demonstrant habe Chhouk Bandith einen Stein an den Kopf geworfen, der daraufhin Warnschüsse abgeben wollte, wobei er unabsichtlich drei Frauen traf.
Ob und wie die Strafverfolgung weitergeht, ist aktuell nicht absehbar. Wollte man es nach professionellen Gesichtspunkten durchführen, kämen sicherlich noch einige weitere Angeklagte hinzu: Wegen Komplizenschaft, Behinderung der Ermittlungsarbeiten und Strafvereitelung im Amt müssten sich zweifelsohne einige Personen mehr Sorgen um ihre Freiheit machen. Aber das Leben findet ja bekanntlich nicht im Konjunktiv statt.
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