
Der Hindu-Tempel Angkor Wat ist nationales Symbol Kambodschas und gehört seit 1992 zum UNESCO-Weltkulturerbe. (Foto: Karbaum)
Angkor Wat ist vieles: kambodschanisches Nationalsymbol, architektonisches Wunderwerk, steinernes Zeugnis einer untergangenen Hochkultur, Kronjuwel des Weltkulturerbes, größtes Sakralbauwerk der Erde, einzigartig. Zumindest die letzten beiden Aspekte sind aber nun in Gefahr, da die indische Glaubensgemeinschaft Mahavir Mandir Trust in der letzten Woche angekündigt hat, eine noch größere Kopie des kambodschanischen Originals 40 Kilometer entfernt von Patna, der Hauptstadt des Bundesstaates Bihar im Nordosten Indiens, direkt am Flusslauf des Ganges aus dem Boden stampfen zu wollen. Zumindest der Grundstein ist bereits gelegt worden, insgesamt sind umgerechnet rund 15,5 Mio. Euro für den Bau des Tempels Virat Angkor Wat Ram Mandir veranschlagt.
Und das schmeckt den Hütern des Originals überhaupt nicht. Die Ankündigung sei ein „beschämender Akt“, und man werde es nicht zulassen, dass es zukünftig zwei Versionen von Angkor Wat geben werde, so Regierungssprecher Phay Siphan. Er kündigte Regierungskonsultationen an, bei denen die indischen Kollegen gebeten werden sollen, die Angelegenheit zu lösen. Dabei sorgt er sich wohl nicht nur um die Symbolkraft des Vishnu gewidmeten Hindutempels, sondern wohl auch um die Strahlkraft als Touristenmagnet, der im letzten Jahr immerhin drei Millionen Gäste anzog.
Dennoch verwundert es ein wenig, dass die Kambodschaner auf diese Ankündigung mit so wenig Gelassenheit und nicht nur in der Regierung, sondern auch im Internet wie bei KI-Media hochgradig emotional reagieren. Zwar würden die Franzosen wohl auch nicht jubilieren, wenn die Russen den Eiffelturm kopierten, aber bei den Khmer wurde offenbar ein wunder Punkt getroffen: Dem Land fehlt nach wie vor das Selbstvertrauen einer geeinten Nation, die es sehr gerne sein will, aber offensichtlich (noch) nicht ist. Abgesehen davon, dass Nachahmung immer noch die ehrlichste Form der Anerkennung darstellt, hätte allein ein Blick auf die Fakten die Gemüter in Phnom Penh beruhigen können:
Kein (internationaler) Tourist schaut sich lieber eine Kopie als das Original an. Außerdem bietet der archäologische Park Angkor weitere Sensationen wie den Bayon oder Ta Prohm.
Der Charme der achthundert Jahre alten Details, insbesondere der Apsaras und der Bas-Reliefs, wird unmöglich zu kopieren sein.
Die Kopie wird kein nationales Symbol sein, sondern religiöse Pilgerstätte – und damit zu Angkor keine Konkurrenz darstellen.
Der Nachbau wird wohl kaum die Größe von Angkor Wat erreichen: Das pyramidale Bauwerk entspricht dem mythischen Ramayana-Epos und erstreckt sich mit seinen Außenmauern und Wassergräben auf knapp zwei Quadratkilometer.
Und vor allem: Die veranschlagten Kosten werden nicht im Entferntesten ausreichen, um den Tempel zu errichten.
Die Khmer sind also gut beraten, in Zukunft etwas gelassener und souveräner auf Meldungen dieser Art zu reagieren. Denn sie sind und bleiben die Hausherren von Baudenkmälern, die zu den atemberaubendsten der Welt gehören. Und daran wird keine Kopie der Welt etwas ändern!
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