Zum Beispiel: Was wurde denn nun konkret in Sachen Menschenrechte erreicht? Die erheblichen Sorgen wurden schließlich nicht nur durch internationale Menschenrechtsgruppen und Politiker vorgetragen, sondern auch in eindrucksvoller Weise von mutigen Kambodschanern in der Hauptstadt Phnom Penh. Das Vokabular, mit dem Teilnehmer der US-Delegation dann das „angespannte“ Gesprächsklima zwischen Präsident Barack Obama und Premierminister Hun Sen beschrieben, ließ nur eine Deutung zu: Da hat der just wiedergewählte Staatschef der Weltmacht USA einem kleinen Entwicklungsland deutlich gemacht, was er von der Innenpolitik des kambodschanischen Regierungschefs hält: nämlich nicht so viel. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass Obama – der ansonsten einen eher gelangweilten Eindruck hinterließ – durchaus taktvoller und diplomatischer vorgegangen sein könnte. Und schließlich war auch nicht zu erwarten gewesen, dass Hun Sen zum Telefonhörer greifen würde, um etwa die Freilassung von Mam Sonando anzuordnen oder sich mit Sam Rainsy zu versöhnen.
Obama hat es also versucht, das war vorher nicht selbstverständlich gewesen, aber was er wirklich erreicht hat, wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen. Ganz sicher war die rhetorische Zuspitzung seiner Entourage nicht hilfreich und provozierte direkt eine freche Gegenreaktion. Wie üblich mit eher unliebsamen Gesprächspartnern, denen man aber nicht aus dem Weg gehen kann, verzichtete Obama – der in der Gegenwart Hun Sens meist recht grimmig dreinschaute – im Anschluss an ein gemeinsames Pressestatement, das durchaus die eine oder andere Frage hätte klären können. Zum Beispiel zu den kambodschanischen Altschulden aus der Lon Nol-Zeit, die die heutige Regierung in Phnom Penh am liebsten stornieren würde. Mit einer Einigung wäre es zwar leichter gewesen, Hun Sen das eine oder andere Zugeständnis abzuringen – andererseits darf die Einhaltung der Menschenrechte nicht zu einer Handelsware der internationalen Politik werden – sonst könnten Menschenrechtsverletzungen auch noch lukrativ werden. Insofern hat Obama in dieser Sache sein Gesicht gewahrt und absolut nachvollziehbar klargemacht, wer in der Bringschuld steht und wer nicht.
Ansonsten bleiben einige merkwürdige Momentaufnahmen hängen. Hochnotpeinlich war vor allem der – auch international diskutierte – Empfang Obamas durch Hun Sens Ehefrau Bun Rany: Der US-Präsident wurde von ihr begrüßt wie ein Dienstjunge (persönliche Anmerkung: diese Bewertung erscheint durchaus zutreffend; Kambodschas neureiche Elite steht grundsätzlich auf Kriegsfuß mit den traditionellen Riten und Gepflogenheiten, in diesem Fall mit den Sampeah-Grüßen, siehe Seite 4-5). Besonders souverän war auch Hun Sen selbst nicht: Am Ende der mehrtägigen Gipfeltreffen und Beratungen lieferte er bei der obligatorischen Presse-Abschlusskonferenz nur einen Monolog und eine Erklärung ab, dass er zu erschöpft sei, den internationalen Journalisten noch Fragen zu beantworten. Immerhin ist er damit dem Risiko kritischer Anmerkungen aus dem Weg gegangen, die er von seinen heimischen Hofberichterstattern sonst auch nicht gewohnt ist. Apropos Berichterstattung: Die Journalisten haderten nicht nur mit den generellen Bedingungen, die ihre Arbeit deutlicher als sonst einschränkten, sondern waren auch sonst dem heillosen ASEAN-Chaos ziemlich schutzlos ausgeliefert. Dennoch haben sie es nicht versäumt, über den abermaligen Unmut der Philippinen – und Vietnam – zu berichten. Die hinterließen erneut einen ziemlich bedienten Eindruck von dem, was Kambodscha im ASEAN-Vorsitz leistete. Denn Chinas Einfluss war wie im Juli wieder omnipräsent, und daran konnte auch Obamas Tagestripp nach Phnom Penh nichts ändern.