Am Anfang waren es nur einzelne Berichte, die sich auf örtlich begrenzte Vorfälle bezogen, aber mittlerweile verdichten sich die Anzeichen eines systematischen Vorgehens: Wähler der oppositionellen Partei zur Rettung der Kambodschanischen Nation (CNRP/PRKN) werden für ihr Wahlverhalten heftig unter Druck gesetzt. Ein probates Mittel scheint insbesondere darin zu liegen, mit den Ängsten und dem Aberglauben der Menschen zu spielen. In der Phnom Penh Post findet man dazu folgende Augenzeugenberichte aus der Provinz Kampong Cham:
“’The people [of the CPP] asked [villagers] to swear that half their body would die if they had not voted for the CPP,’ said one villager. ‘I did not take the oath, because I did not vote for them and the pagoda spirit is very effective, but some people took the money, because they had voted for the CPP.’ Another villager who said he was called to claim the money, said the oath-taking ceremony was meant to identify Cambodia National Rescue Party supporters.”
Viele Kambodschaner (selbst jene mit überdurchschnittlicher Bildung) würden sich kaum trauen, etwas zu schwören, was nicht den Tatsachen entspricht – schon gar nicht in einer Pagode. Dafür ist die animistische Ahnen- und Geisterverehrung noch viel zu tief im Glauben der Menschen verankert, als dass sie sich davon lösen könnten. Daher scheint dieser perfide Trick ziemlich gut zu funktionieren, um das Wahlgeheimnis faktisch auszuhebeln – offenbar so gut, dass er in ähnlicher Form auch in einem Dorf in der Provinz Kandal angewandt wurde.
Es spricht mittlerweile vieles dafür, dass dies beileibe keine Einzelfälle sind und die Dunkelziffer weit höher liegt. Mehrere Nichtregierungsorganisationen wandten sich deswegen in einem gemeinschaftlich aufgesetzten Statement gegen jegliche Formen von Einschüchterung, Bedrohung und Vergeltungsmaßnahmen. Auch wenn ausdrücklich beide große Parteien angesprochen werden, liegen diesbezüglich praktisch nur Beschwerden über lokale Parteiführer der Kambodschanischen Volkspartei (KVP) vor.
Wie stark der Druck auf Anhänger der PRKN werden kann, zeigt ein Beispiel aus der Provinz Preah Vihear: Dort hat ein Dorfchef 40 Menschen gedroht, sie aus dem Dorf zu werfen. Ihr einziges „Vergehen“: Sie stehen in dem Verdacht, nicht für die KVP gestimmt zu haben. Außerdem befürchten die Betroffenen, in Zukunft nicht mehr in den Genuss von sozialen Dienstleistungen zu kommen oder sogar zwangsweise in nicht erschlossene Gegenden umgesiedelt zu werden. Die Menschen seien vor allem deswegen panisch, weil sie in einer abgelegenen Region leben und dadurch ein gewisser Schutz durch Menschenrechtsorganisationen oder die Öffentlichkeit nicht gegeben ist.
Zugegeben: Diese Methoden sind alles andere als neu. Vielmehr gehören sie zum Standardrepertoire der KVP und erlebten ihren letzten Höhepunkt im Rahmen der Parlamentswahlen 1998. Danach hatte es sich ein wenig entspannt, was in erster Linie durch eine gesunkene Notwendigkeit, sprich durch die schwächer gewordene KVP-Konkurrenz zu erklären ist. Doch in diesem Jahr spricht einiges dafür, dass viele Menschen ihre Angst überwunden haben – sonst hätte die PRKN wohl kaum ein so gutes Ergebnis erzielt. Ob die KVP ihrerseits gut beraten ist, sich mit solchen Methoden gegen den Machtverfall zu stemmen, darf stark bezweifelt werden: Sie scheint noch nicht bemerkt zu haben, dass sich der Wind gedreht hat und dass sie mit ihren alten Methoden weiter an Popularität verlieren wird. Vereinzelt mag die Taktik zwar noch aufgehen, aber am Ende wird die politische Strömung triumphieren, der die Kambodschaner freiwillig zustimmen.
Und wenn die KVP so weiter macht, wird sie das bestimmt nicht sein.