Kambodschaner sind sich nicht in vielem einig, wohl aber in der Wahrnehmung, dass ihre Nachbarn sie von oben herab behandelten. Das mag teilweise tatsächlich stimmen und auf Ignoranz oder Chauvinismus zurückzuführen sein, sicherlich auch auf die vergleichsweise hohe Armut, als deren Boten kambodschanische Bettler und Hilfsarbeiter in Thailand nicht gerade zu einem Imagegewinn ihrer Heimat beitragen (aber das ist ja auch nicht ihre Absicht). Eine weitere Quelle wird von den Regierenden in Phnom Penh dagegen geflissentlich übersehen, nämlich Korruption, Willkür und bürokratische Inkompetenz (mitunter zusammengefasst zu dem nur bedingt politisch korrektem Begriff der Bananenrepublik), was ebenfalls nicht gerade dazu beiträgt, von anderen Respekt zu erwarten. Wer sich mal wieder fragt, ob allein die internationale Entwicklungszusammenarbeit die teuren Villen finanziert (nein!) oder ob es in erster Linie Kambodschas Wirtschaftskapitäne sind, deren Beitrag zum Wirtschaftswachstum für die Lexus-Flotten im Straßenbild sorgen (nein, auch nicht!), der wird dieser Tage eben an genau diesen Zusammenhang zwischen erstens mangelndem Respekt und zweitens gedankenloser Gier erinnert.
Der Cambodia Daily hatte Heiligabend berichtet, dass ab 1996 unmittelbar an der gemeinsamen Grenze in der Provinz Ratankkiri knapp 40.000 Hektar für 99 Jahre über Tarnfirmen an das 15. Korps der Vietnamesischen Volksarmee in Form von vier agroökonomischen Landkonzessionen verpachtet wurden. Derzeit verfügen die Vietnamesischen Streitkräfte also über ein beträchtliches Stück Land auf dem Territorium ihres Nachbarn, mit dem es erst im Juni wieder einen Konflikt über den tatsächlichen Grenzverlauf führte. Schützt man in Phnom Penh so die nationale Souveränität und territoriale Integrität, von der die Spitzen des Regimes immer so gerne sprechen?
Man wird den Verdacht nicht los, dass es sich hierbei lediglich um Worthülsen handelt und dass der eine oder andere Entscheidungsträger für den richtigen Preis wohl auch seine Großmutter verschachert hätte. Denn in dem Bericht heißt es, dass der Landdeal für Kambodscha nicht besonders lukrativ sei, was in Bezug auf den Staatshaushalt wohl stimmen mag. Doch niemand kann ernsthaft davon ausgehen, die Vietnamesen (oder irgendein anderer Lizenznehmer in Kambodscha) hätten hier den Schnapp des Jahrhunderts gemacht. Die Luxus-Villen/-Autos/-Lebensstile der Neureichen in Phnom Penh können dafür durchaus als genereller Beleg herhalten. Dennoch dürfte sich das Arrangement für die Vietnamesen schon aus rein wirtschaftlichen Gründen lohnen, wie Angaben zu den Gewinnen aus dem internationalen Holzhandel zeigen. Und aus der sicherheitspolitischen Perspektive sowieso.
Warum also noch über den Grenzverlauf streiten, wenn man sein Grenzland freiwillig verhökert? Den zwischenzeitlichen Schlusspunkt unter dieses tragikomische Schauspiel setzte am Wochenende nun Hun Sen selbst. Der Regierungschef ließ es sich nicht nehmen, zwei neue Grenzsteine zu Vietnam persönlich einzuweihen – ganz so, als hätte es den Bericht des Cambodia Daily nie gegeben.