36 Stunden nach seiner Festnahme ist Oppositionsführer Kem Sokha nun auch offiziell wegen Hochverrats angeklagt worden. Hauptbeweisstück soll dabei ein Fernsehinterview sein, das er 2013 (!) dem in Australien ansässigen Cambodia Broadcasting Network gab. Darin soll er laut Phnom Penh Post, die sich wiederum auf die kambodschanische Regierung bezieht, sinngemäß mitgeteilt haben, dass er seit Jahren Unterstützung aus den USA erhalte, um den politischen Wandel in Kambodscha zu beeinflussen. Weiter wird er zitiert:
“The US say that if you want to change the dictatorial leader, you cannot change the top, you need to uproot to change the bottom first – this is its democratic strategy.”
Zur Erinnerung: Da Kem Sokha parlamentarische Immunität besitzt, kann er rein rechtlich gesehen nur dann in Gewahrsam genommen werden, wenn er beim Begehen einer Straftat in flagranti erwischt wird. Überdies soll er zur Uhrzeit seiner Festnahme bereits geschlafen haben – der Plot dieses Falls könnte also durchaus aus der Feder Franz Kafkas stammen, der in der kambodschanischen Regierung offenbar recht eifrig gelesen wird, wenn strategische Entscheidungen zu treffen sind.
Während Kem Sokha mittlerweile in das Gefängnis Trapaing Phlong in der Provinz Tbong Khmum überführt wurde, hat sich die restliche Führungsmannschaft der Partei zur Rettung der kambodschanischen Nation (CNRP/PRKN) darauf verständigt, nicht auf die Verhaftung zu reagieren. Was sich zunächst anhört wie ein Mix aus Hilflosigkeit und Resignation könnte dennoch ein cleverer Schachzug sein, denn da niemand Kem Sokha formal als Parteichef ersetzen soll, könnte die PRKN nach dem Parteiengesetz aufgelöst werden. Das allerdings wäre eine unkalkulierbare Eskalation des Konflikts, der tausende Mandatsträger in den Gemeinden konkret beträfe, auch wenn denen dort der Wind schon jetzt mitunter recht steif ins Gesicht bläst. Außerdem deutet vieles darauf hin, dass das Regime nach Sam Rainsy lediglich die zweite populäre Führungsfigur aus dem Weg räumen möchte, da die Regierung der Opposition ohne die beiden keinen Erfolg bei den im Juli 2018 stattfindenden Parlamentswahlen zutraut. Und eine in technisch sauber durchgeführten Wahlen unterlegende PRKN wäre sowohl nach innen als auch nach außen das wahrscheinlich angenehmste Szenario für Hun Sen.
Solange ihm die Opposition aber nicht willfährig in die Karten spielt, dürfte sich die Enthauptungsstrategie sehr bald als das entpuppen, was sie tatsächlich ist: Mumpitz. Denn weder in Kambodscha noch anderswo wird er mit solchen Wahlen noch irgendjemanden täuschen können. Und selbst die PRKN ist noch nicht erledigt, das Pokerspiel geht in die nächste Runde. Der Regierungschef hat nur mal eben die Einsätze erhöht und einen „Call“ der Opposition erhalten. Mal schauen, ob er demnächst noch das letzte As aus dem Ärmel (seine schwerbewaffnete Privatarmee) holen muss, um am Ende das bessere Blatt zu haben – als Falschspieler im demokratischen Wettbewerb ist er überaus erfahren und berüchtigt. In der Zwischenzeit sind Kem Sokha und alle anderen politischen Gefangenen Hun Sens Geiseln.