13. März 2011
Was braucht man, um eine Börse für den organisierten Wertpapierhandel zu etablieren? Zunächst effektive Gesetze, die Insiderhandel verbieten und eine umfassende Berichtspflicht der börsennotierten Unternehmen einfordern. Dann einen durchsetzungsfähigen Staat, der über die Einhaltung dieser Gesetze wacht und bei Verfehlungen Sanktionsmechanismen auslöst. Auch eine unabhängige und kompetente Justiz, die in Streitfällen unparteiische Urteile spricht und zumindest ansatzweise in der Lage ist, die meist äußerst komplizierten Fälle von Wirtschaftskriminalität aufarbeiten zu können. Und schließlich eine Wirtschafts- und Unternehmenskultur, nach der die Akteure schon durch ihr Selbstverständnis eine gewisse Disziplin beweisen, um das höchste Gut eines effektiven Wertpapierhandels überhaupt aufrechtzuerhalten: Vertrauen. Dazu ist Transparenz unabdingbar. Fehlt diese ganz substanziell, handelt es sich bei dieser Art des Wertpapierhandels lediglich um eine Variante des Hütchenspiels, also Trickbetrug, wo nur der gewinnt, der mit den Anbietern unter einer Decke steckt, während alle Outsider den sicheren Totalverlust erleiden. Selbst der oft gescholtene Casino-Kapitalismus wäre dagegen eine Ausgeburt der Seriosität.
Was das alles mit Kambodscha zu tun hat? Nun, im Juli wird die Cambodia Stock Exchange wohl ihren Betrieb aufnehmen. Eigentlich hätte der Startschuss schon 2009 fallen sollen, aber gut begründete Einwände haben den Beginn nun schon zweimal verschoben. Wie Reuters nun berichtet, ist zumindest eine weitere wichtige Entscheidung gefallen: Der Wertpapierhandel soll vollständig in der kambodschanischen Währung Riel vollzogen werden. Und das in der fast vollständig dollarisierten Wirtschaft Kambodschas, in der 90% aller Devisen in Kambodscha aus dem Greenback bestehen. Nicht ohne Grund, spiegelt doch das Vertrauen in eine Währung vor allem das politische Kapital wider, das der Staat bei seinen Bürgern besitzt. Doch die Reputation des kambodschanischen Staates liegt seit über 40 Jahren am Boden, und so kommt auch der Riel nicht aus seiner Bedeutung als Nebenwährung heraus.
Natürlich kann diese jüngste Entscheidung pro Riel als nachvollziehbarer Versuch interpretiert werden, die Gelegenheit beim Schopfe zu packen und die Börse im Kampf für eine De-Dollarisierung zu instrumentalisieren. Allerdings dürfte eine solche Strategie wohl nur einen Effekt haben, nämlich die Börse zu beerdigen, bevor sie überhaupt eröffnet wird. Denn vor allem auf internationale Investoren kommen dadurch noch größere, immer schwieriger zu kalkulierende Risiken zu, wenn sie in kambodschanische Aktiengesellschaften investieren wollen. Bis jetzt sind zehn private und drei staatliche Unternehmen (die Wasserwerke Phnom Penhs, Telecom Cambodia und der Hafen Sihanoukvilles) bekannt, die überhaupt an die Börse gehen wollen. Daneben haben fünfzehn Wertpapierfirmen – von denen sich die meisten zumindest teilweise im Besitz ausländischer Unternehmen befinden – Lizenzen erhalten, um an der Börse operieren zu können.
Auch die politischen Rahmenbedingungen sind einer funktionierenden Börse weiterhin alles andere als zuträglich. Die Implementierung bestehender Gesetze ist seit jeher höchst unzureichend, Transparenz im Verwaltungshandeln nach wie vor praktisch unbekannt, und auch eine unabhängige Justiz existiert nicht. Betrachtet man außerdem die engen Verflechtungen zwischen Politik und den größten Unternehmen (der Fachausdruck lautet crony capitalism), die wechselseitige Abhängigkeiten begründen, die ungeschriebenen Gesetze eines freien Marktes aushebeln und damit insgesamt vor allem einen Teil der systematischen Korruption darstellen, so mag man kaum glauben, dass diese Börse jemals Erfolg haben wird. Zu wünschen wäre es jedenfalls, denn der Wertpapierhandel kann für eine Volkswirtschaft beträchtliche Vorteile generieren – aber nur, wenn diese Wohlstandsgewinne umgehend wieder in die Wertschöpfungskette investiert werden und nicht auf ausländischen Privatkonten landen.
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