4. März 2011
Wofür soll man spenden? Sicherlich für wohltätige Zwecke. In Kambodscha gehört offensichtlich auch das Militär dazu, das zumindest aus der Sicht der Khmer die Ehre des Landes vor dem thailändischen Aggressor bewahrt. Wie die Phnom Penh Post berichtet, läuft die Spendenakquisition seit Wiederaufflammen der Kampfhandlungen rund um den Tempel Preah Vihear wieder auf Hochtouren. Es wird an vielen Orten gesammelt, so zum Beispiel in Dörfern, an Universitäten und in Schulen. Selbst wer wenig hat gibt etwas – der patriotische Gruppenzwang macht’s möglich und nötig. 2008, als an der kambodschanisch-thailändischen Grenze erstmals seit langer Zeit wieder scharf geschossen wurde, wurde die Idee entwickelt, die chronisch unterfinanzierten Truppen durch die private Spenden aufzupäppeln. Zunächst engagierten sich private Unternehmen – beziehungsweise mit der Regierungspartei und den Amtsträgern bestens vernetzte Tycoons –, von denen vor allem der Fernsehsender CTN seine Fähigkeiten beim Bunkerbau unter Beweis stellte – ganz so, als würde RTL einen Außenposten der Bundeswehr in Nordafghanistan unterhalten.
Auch das Innenministerium, dem formal die Provinzen unterstehen, trägt etwas zur Finanzierung der Truppe bei. Die Provinzgouverneure haben ganze Gruppen von Spendensammlern gegründet; mit dem eingesammelten Geld werden Nahrungsmittel gekauft, die dann den Soldaten gegeben werden. Oder zumindest gegeben werden sollen: Im chronisch korrupten Kambodscha fragen sich natürlich viele Menschen, ob ihre Spenden auch wirklich dort ankommen, wo sie sollen. Transparenz bleibt jedenfalls ein knappes Gut, und selbst die scheinbar geniale Lösung, die Namen der Spender im TV auszustrahlen, bietet natürlich längst keine Sicherheit. Dennoch gelang es allein dem Sender Bayon TV, welcher sich im Besitz von Hun Mana befindet, der Tochter von Premierminister Hun Sen, innerhalb weniger Wochen umgerechnet knapp 1,2 Mio. USD zu akquirieren.
Einerseits kann man diese Form von Zusammenhalt und Patriotismus, der sich hier zeigt, durchaus begrüßen, denn nicht gerade wenige Entwicklungshemmnisse fußen auf geringem gesellschaftlichen Vertrauen und unzureichendem Sozialkapital. Andererseits führt es auch erneut die Rückständigkeit der kambodschanischen Staatskapazität vor Augen, die sich in den letzten 20 Jahren offensichtlich kaum entwickelt hat. Nach wie vor ist es der Regierung nicht möglich, das Staatswesen zu professionalisieren und vor allem die staatlichen Aktivitäten auf eine steuerfinanzierte Grundlage zu stellen. Selbst das deutsche Kaiserreich war vor 97 Jahren mit seinen Kriegsanleihen schon weiter.
Das wirft die Frage auf, wie das kambodschanische Militär überhaupt finanziert wird. Vielleicht ist es schon falsch, überhaupt von einheitlichen Streitkräften zu sprechen, wie man sie aus modernen Staaten gewohnt ist. In Kambodscha spielen die jeweiligen Truppenführer mit ihren speziellen politischen Loyalitäten – die meisten in Richtung Hun Sen – eine viel größere Rolle. Selbstredend werden die Truppen auch durch den Staatshaushalt getragen, 300 Mio. USD, rund 10% des Gesamtetats, sind dafür vorgesehen. Über die Glaubwürdigkeit kambodschanischer Budgetpläne kann es zwar keine zwei Meinungen geben, aber trotzdem sollte hiermit die Grundfinanzierung gesichert sein. Dann gibt es für manche Truppen noch Sonderzuweisungen, vor allem dann, wenn sie mit besonderen Aufgaben betraut werden, insbesondere mit dem persönlichen Schutz hochrangiger Politiker (eigentlich nur einer). Oder besondere Privilegien, wie der Schmuggel von Tropenholz und anderem. Viele Generäle sind auch Unternehmer, wobei ihnen ein paar hundert bewaffnete Soldaten mitunter nicht gerade schaden. Plumpe Straßensperren zur Privatakquisition von Mautgebühren und der Betrieb von Kleinbordellen werden zwar seltener, aber dafür werden immer mehr Investments in größere Unternehmungen gepumpt. Vor allem Casinos, die spielwütige Thais und Vietnamesen ins Land locken sollen, sprießen nicht ohne Grund wie Pilze aus dem Boden. Und außerdem fungieren Soldaten auch immer wieder gerne als Sicherheitskräfte bei Zwangsevakuierungen, die sie im Namen der involvierten Unternehmen durchführen. Oftmals bedienen sie sich auch selbst, vor allem wenn Veteranen Land zugesprochen wird – wo aber (zufällig?) seit Jahren andere Menschen leben.
Wie in vielen autokratisch regierten Ländern der Welt beruht politische Macht auch in Kambodscha auf Gewehrläufen. Da man sich aber mitunter vor allzu aktiven Nachbarn schützen muss, wird ihre Zahl so groß, dass es schwieriger wird, die Kontrolle zu behalten. Meist wird eine Kerntruppe aus besonders loyalen und gut ausgerüsteten Soldaten gebildet, die quasi eine private Leibwächtermiliz bilden. Die Kunst ist es dann, die restlichen Truppen unter Kontrolle zu halten. Das gelingt mit loyalen Offizieren, wenn die Soldaten zumindest materiell profitieren. Das hat auch der Premierminister erkannt: 2007 stand eine Kandidatur seines (wohl als Nachfolger bereits ausgewählten) Sohnes Hun Maneth für die Nationalversammlung zur Debatte, also eine Thronfolge durch die Institutionen. Dass die eigentliche Macht allerdings ganz woanders liegt, ist dem Vater damals allerdings schnell aufgefallen. Nun wird also die militärische Karriereleiter beschritten. Ob dies auch eine Reformierung, Modernisierung und Professionalisierung der Streitkräfte bedeutet, kann derzeit höchstens erhofft werden.
Spenden, so nachvollziehbar sie auch sind, werden die fundamentalen Probleme nicht lösen, eher im Gegenteil. Und von der Regierung ist nicht zu erwarten, wider ihre eigenen Interessen diese Herausforderung anzupacken.