NGO-Gesetz: Vierter Entwurf lässt Kritiker nicht verstummen

Das kambodschanische Innenministerium hat in der vergangenen Woche den vierten Entwurf des umstrittenen NGO-Gesetzes (englisches Akronym: LANGO) präsentiert und dabei unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Die renommierte Menschenrechtsorganisation LICADHO bezeichnete auch die jüngste Vorlage als „verwirrend“, da sie mehr Fragen aufwerfe als beantworte. Zwar können sich nach Artikel 5 NGOs und andere Vereinigungen nun frei gründen, ohne dass es dazu einer vorherigen Genehmigung seitens der Regierung bedarf, allerdings ist die Registrierung beim Innenministerium Voraussetzung, um als juristische Person anerkannt zu werden. Lokale Gemeindeorganisation sollen dagegen lediglich die Kommune, in der sie sich engagieren, über ihren Namen, die Ziele und den Namen des Präsidenten informieren – allerdings bleiben auch sie von der jährlichen Berichtspflicht nicht ausgenommen, was durchaus (sprachliche) Probleme für Organisationen ethnischer Minderheiten bedeuten könnte. Die Antragsform scheint dagegen klar geregelt zu sein (Artikel 7).

Dieser leichte Druck zur Registrierung erinnert durchaus an das deutsche Vereinsrecht, das über den Umweg über Japan bereits Einzug in das kambodschanische Bürgerliche Gesetzbuch gefunden hatte (auch in Deutschland gibt es ähnliche Paragraphen, vor allem aus haftungsrechtlichen Gründen). Kritisch beäugt wird die Registrierung in Kambodscha daher auch vielmehr aufgrund des sich anschließenden Prüfungsprozesses des Innenministeriums, das laut Artikel 8 innerhalb von 45 Tagen eine Genehmigung für die NGO erteilen kann oder eben nicht. In diesem Fall steht den Betroffenen dann nur noch der eigentlich nicht begehbare Weg zu den Gerichten offen.

Das Cambodian Center for Human Rights (CCHR) sieht anders als LICADHO durchaus positive Signale in dem neuen Entwurf. Er sei nun klarer und stelle einen deutlichen Fortschritt im Vergleich zu den vorherigen Entwürfen dar. Vor allem wird begrüßt, dass die Regierung Empfehlungen der Zivilgesellschaft in die neue Vorlage habe einfließen lassen. Gegenüber der lokalen Presse würdigte das CCHR vor allem die Bestimmung, wonach nunmehr nur noch drei anstatt elf Personen notwendig sind, um eine Organisation zu gründen, wodurch die Existenz von Kleinstgruppen auch in Zukunft gesichert sein sollte. Trotzdem sehen laut Phnom Penh Post sowohl das CCHR als auch LICADHO weiterhin das Potential im neuen Gesetz, die Zivilgesellschaft „zum Schweigen“ bringen zu können.

In Kambodscha gibt es derzeit gut 3000 NGOs – auch aus dem Ausland. Doch deren Handlungsfähigkeit dürfte mit dem neuen Entwurf erheblich begrenzt werden, einige dürften sogar vor dem Ende ihres Engagements in dem Land stehen. Deren Erlaubnis soll durch ein Memorandum mit dem Außenministerium erwirkt werden, das sich an den konkreten Hilfsprojekten orientiert und maximal drei Jahre gültig sein soll. Das Außenamt kann die Gültigkeit des Memorandums allerdings jederzeit auflösen, wenn Aktivitäten der fremdländischen NGO „Frieden, Stabilität, die öffentliche Ordnung gefährde oder die nationale Sicherheit, die Einigkeit, die Kultur, Gebräuche und Traditionen der kambodschanischen Gesellschaft bedrohe“. Die Ablehnungsgründe müssen den internationalen NGOs laut Gesetz ganz offensichtlich auch nicht genannt werden.

Solche weit gefächerten Begriffe erlauben der Exekutive nicht nur einen enormen Ermessensspielraum, sondern laden geradezu zu Willkürentscheidungen ein. Aber nicht nur politisch, sondern auch auf der technischen Arbeitsebene sollen den internationalen NGOs enge Vorgaben gemacht werden: Für Verwaltung, das heißt Büroausstattung und Gehälter, sollen in Zukunft nur noch bis zu 25% des Gesamtbudgets aufgewendet werden dürfen. Damit zielt die vor allem auf die Honorare internationaler Mitarbeiter ab, die nicht selten ein Vielfaches ihrer kambodschanischen Kollegen erhalten. Dennoch stellt dieser Passus nicht nur einen kaum zu akzeptierenden Eingriff in die Vertrags- und Handlungsfreiheit der Organisationen dar, sondern dürfte auch zum Verlust wertvoller Expertise führen, wenn internationale Mitarbeiter und Consultants in Zukunft nicht mehr engagiert werden können.

Am Montag wurde der neue Entwurf dann im Innenministerium mit Vertretern der Zivilgesellschaft besprochen. Ressortchef Sar Kheng war persönlich anwesend und stellte weitere Gesprächsrunden in Aussicht, falls man sich heute nicht einigen sollte – „wir sind [schließlich] keine Rivalen“, so der Minister. Wie die Phnom Penh Post hingegen berichtet, soll die Stimmung gegen Ende der rund zweieinhalbstündigen Debatte etwas gereizt wesen sein. Immerhin bliebe den Organisationen noch eine Woche, schriftliche Einwände, Kommentare und Empfehlungen auszusprechen. Ob das Innenministerium gewillt ist, diese erneut zu berücksichtigen, ist allerdings noch nicht absehbar.

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2 Antworten zu NGO-Gesetz: Vierter Entwurf lässt Kritiker nicht verstummen

  1. charles tauk schreibt:

    Die in Kambodscha taetigen, und hier vor allem die vom Ausland finanzierten, sind ueberhaupt nicht an einer Einigung und Verabschiedung des NGO Gesetz interessiert. So gehen denn nicht wenige mit der Mitteilung an die Presse dass der gesamte Gesetzentwurf sowie das angepeilte Gesetz zur Regelung des Hilfsorg. Sektor voellig unnoetig ist und somit einfach verworfen gehoert. Nicht uninteressant ist hier, dass die US Regierung allen voran das gleiche sagt. Unterstuetzt vom Rapporteur der EU sowie mehreren Stellen der UN soll der Gesetzentwurf moeglichst schnell im Papierkorb landen und alles so bleiben wie es ist. Wer die Situation der NGO im Land taeglich mitverfolgt kann hier nur noch mit dem Kopf schuetteln. Nicht nur Expats erscheint die taegliche SUV Flut von grossen Gelaendewagen die taeglich die Strassen von Phnom Penh verstopfen sowie die eigens fuer NGO Mitarbeiter gebauten Luxus Appartments etc. vollkommen ueberzogen. Das durchschnittliche Gehalt der Fuehrungskraefte von intl. NGO liegt bei 250.000 $ zuzuegl. Spesen, Wohnraum, Schule, Heimfluege, KFZ, alles steuerfrei, versteht sich.
    Kritik gab es bisher vor allem von den Medien nur geringe oder ueberhaupt nicht. Ueberraschend erscheint daher der Beitrag des erzkonservativen BBC, der ansonsten ausschliesslich die Interessen der NGO vertreten hat und im vergangenen Dez 2011 mit der Beitragsserie „The Truth about NGO“ per Podcast an die Oeffentlchkeit getreten ist. Die 3teilige Serie berichtet ueber aehnliche Zustaende wie in Kambodscha aus Malawi, Haiti und Indien. In meinen Augen ein echter Augenoeffner und wirklich wert gehoert zu werden. Die Beitraege sind unter der Webadresse:

    http://www.bbc.co.uk/search/schedule/?q=the%20truth%20about%20ngo

    zu finden.
    Bleibt zu hoffen das auslaendische Interessen nicht laenger die Regulierung des „ausser Kontrolle“ geratenen NGO Sektor blockieren.
    Viel Spass

    • Markus Karbaum schreibt:

      Die Eigeninteressen der ausländischen NGOs sind keinesfalls zu unterschätzen, und der Stil, wie sie Kritik an der Regierung anbringen, ist mitunter deutlich zu verurteilen. Wenn ich von NGOs spreche, beziehe ich mich hingegen nur auf die wirklich regierungsunabhängigen kambodschanischen Organisationen, wie z.B. Licadho, Adhoc, CCHR, Comfrel, CLEC, CDP und einige andere. Sie genießen großes Vertrauen in der kambodschanischen Bevölkerung und sind daher legitime Akteure in Politik und Gesellschaft. Das wage ich über die meisten internationalen NGOs allerdings nun wirklich nicht zu behaupten.

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