Hun Sen laviert sich durch den ASEAN-Gipfel

Zu fast jedem politischen Gipfel gehören die typischen diplomatischen Gepflogenheiten, ohne die auch der ASEAN-Gipfel vergangene Woche in Phnom Penh nicht auskam: Lob für den Ausrichter, Betonung der Geschlossenheit und Zufriedenheit mit den Beschlüssen sind die gängigen Reaktionen, auch wenn es hinter verschlossenen Türen hoch hergegangen sein sollte. Und letzteres ist anzunehmen, denn die Hoheit über die Spratly-Inseln im südchinesischen Meer als das alles dominierende Gipfelthema deckt recht mühelos die unterschiedlichen sicherheitspolitischen Interessen und die fehlenden regionalen Institutionen zur Konfliktlösung in Ost- und Südostasien auf. Und obwohl Kambodscha geographisch selbst gar nichts damit zu tun hat, steht es in diesem Jahr als vorsitzendes Land der ASEAN im Zentrum der Auseinandersetzung.

Alles begann am vorvergangenen Wochenende mit einem seltenen Besuch des chinesischen Präsidenten in Phnom Penh. Doch dieses Mal stand viel auf dem Spiel, und Hu Jintao – mit Millionen US-Dollar im Gepäck angereist – wollte zwei Tage vor Gipfelbeginn ein klares Zeichen setzen. Dabei kommt es der Volksrepublik, die die Hoheitsansprüche der anderen Anrainerstaaten über die rohstoffreichen Inseln nahezu vollständig zurückweist, gerade recht, dass mit Kambodscha der Staat den Gipfel leitet, der China unter allen ASEAN-Staaten politisch am nächsten steht. Und so lautete die Botschaft recht unmissverständlich: keine Internationalisierung des Konflikts, also keine gemeinsame Position der ASEAN und schon gar kein koordiniertes Vorgehen in der Angelegenheit. Denn die Lösung der Interessenkonflikte auf der jeweils bilateralen Ebene versprechen der Wirtschafts-Supermacht ganz andere Verhandlungsergebnisse als gegen eine geeinte ASEAN.

Und so hatte  Premierminister Hun Sen auch alle Hände voll zu tun, trotz der milliardenschweren Entwicklungsgelder und Direktinvestitionen aus Peking die eigene Unabhängigkeit zu betonen. Doch besonders glaubwürdig ist ihm das nicht gelungen, wie allein das Gipfelergebnis zeigt: Man habe sich entschieden, sich auf einen Verhaltenskodex zum dem Thema zu verständigen. Doch wie verbindlich sind solche Absichtserklärungen? Zum Vergleich: Im Februar 2011 hatte die ASEAN, beschlossen, indonesische Beobachter in die umkämpfte Grenzregion zwischen Kambodscha und Thailand zu entsenden – was bis dato aber noch nicht geschehen ist.

Aufgrund dieser wachsweichen Formulierung ist nachvollziehbar, warum gerade die Philippinen vom Gipfel enttäuscht waren. Das ASEAN-Gründungsmitglied mit eigenen Ansprüchen im südchinesischen Meer hatte sich zuvor sehr engagiert präsentiert und hoffe jedenfalls weiter, dass der Kodex noch in diesem Jahr verabschiedet werden können – und zwar explizit vor weiteren Verhandlungen mit China. Damit dürfte die Regierung in Manila auch für die Kollegen in Hanoi gesprochen haben, die sich mit öffentlichen Statements jedoch auffällig zurückhielt.

Und so muss sich Hun Sen durchaus die Frage gefallen lassen, ob die ASEAN in einer überaus wichtigen Sachfrage nicht schon ein stückweit gespalten sei. Zumindest kann man konstatieren, dass der kambodschanische Regierungschef bisher wenig unternommen hat, um Einigkeit herbeizuführen und damit die sicherheitspolitische Relevanz der Staatengemeinschaft zu erhöhen. Ob sein Schlingerkurs seinem eigenen Land dient, darf überdies bezweifelt werden, denn viel Ansehen dürfte Kambodscha unter den meisten Mitgliedstaaten damit nicht gewonnen haben. Doch die Ereignisse erscheinen durchaus als logische Konsequenz der großen Nähe zu China und kommen daher alles andere als unerwartet. Dennoch kann es nicht das Interesse Pekings sein, dass Kambodscha sich zu sehr in der ASEAN isoliert. Da kommt es auch nicht gerade unpassend, dass auch Burma, Laos und Thailand wenig Interesse an der südchinesischen See haben und nur deswegen ihre Beziehungen zum großen Nachbarn im Norden nicht gefährden wollen.

So lässt sich am Ende nur eines mit Sicherheit sagen: Hun Sen hat zur Verblüffung vieler Beobachter eine der seltenen Chancen verstreichen lassen, sich auf internationaler Bühne als umsichtiger Staatsmann zu präsentieren. Auf der abschließenden Pressekonferenz mühte sich der kambodschanische Regierungschef in mehr als der Hälfte der zur Verfügung stehenden Zeit lieber an der Kritik seiner engen Beziehungen zu China, am unabhängigen Analysten Lao Mong Hay und an der oppositionellen Sam Rainsy Party (SRP) ab, anstatt auf die nicht geringer gewordenen Aufgaben im laufenden Jahr einzugehen. Zumindest hat er damit ein naturgetreues Bild seiner politischen Statur insgesamt abgegeben, was zumindest auch in Thailand und Indonesien mit einem gewissen Kopfschütteln zur Kenntnis genommen wurde.

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