Der politische Abstieg des Sok An

Sok An galt bisher als Kambodschas ungekrönter König im Multi-Tasking. Doch nach den jüngsten Kompetenzbeschneidungen neigen sich diese Zeiten langsam dem Ende entgegen (Karrikatur gefunden in der Broschüre "Country for sale" von Global Witness, 2009)

Sok An galt bisher als Kambodschas ungekrönter König im Multi-Tasking. Doch nach den jüngsten Kompetenzbeschneidungen neigen sich diese Zeiten langsam dem Ende entgegen (Karrikatur gefunden in der Broschüre „Country for sale“ von Global Witness, 2009)

Die Frage, wie Hun Sen Macht ausübt und sichert, gehört zu den interessantesten und spannendsten, die man sich seit fast drei Jahrzehnten stellen kann, wenn man auf das politische Kambodscha schaut. Zu den Schlüsselfiguren des engsten Führungszirkels gehört seit jeher Sok An, stellvertretender Premierminister, Chef der Regierungszentrale und Mitglied im Politbüro der regierenden Kambodschanischen Volkspartei (KVP). Er gilt seit vielen Jahren als die rechte Hand Hun Sens, seit dieser seinen politischen Aufstieg Anfang der 80er Jahre im kambodschanischen Marionettenaußenministerium unter vietnamesischer Besatzung begann. Doch schon bei den Khmer Rouge dürften sich beide als etwa gleichaltrige Soldaten wohl über den Weg gelaufen sein. Auch familiär sind die beiden seit Jahren miteinander verbunden: Hun Sens Tochter Hun Mali ist verheiratet mit Sok Ans Sohn Sok Puthyvuth.

Man vertraut sich also. Auch wenn Hun Sen es nie zugelassen hat, dass eine Person seiner engsten Umgebung zu mächtig werden konnte, positionierte er Sok An zentral in sein personalisiertes Herrschaftssystem. Eines verschiedener Organisationsprinzipien war seit Ende der 90er Jahre, fast allen Ministerien die entscheidenden Kompetenzen zu entziehen und in der Regierungszentrale zu bündeln. Viel effektiver konnte die Regierungsarbeit gar nicht kontrolliert werden, obwohl ein solch zentralisierter Ansatz alles andere als effizient gilt. Wie der Cambodia Daily bereits in der letzten Woche berichtete, wurden Sok An nun elf Regierungsstellen entzogen. Dazu zählen vor allem Organisationseinheiten im Bildungsbereich – nicht umsonst wird Sok An von einigen „Bildungsbaron“ genannt, der insbesondere mit der Akkreditierung privater Bildungsanbieter (die in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden schossen) ein einträgliches Geschäft gefunden hatte. Fast alle dieser Aufgaben, für die Sok An bisher zuständig war, werden von den jeweiligen Fachministerien übernommen und dadurch in ihrer politischen Relevanz deutlich aufgewertet.

Einen erheblichen Machtverlust musste der Chef der Regierungszentrale aber insbesondere durch die Auflösung des Supreme Council on State Reform (SCSR) verkraften. Dieser Rat war bisher die höchste Instanz für sämtliche Reformvorhaben in der Exekutive, im Justizwesen und im Militär. Ebenso schwerwiegend ist fraglos auch die jüngste Einbuße: Die Nationale Ölbehörde untersteht seit wenigen Tagen nicht mehr Sok An, sondern gehört nun zum Geschäftsbereich des Ministeriums für Industrie, Bergbau und Energie (das angeblich in nicht allzu ferner Zukunft gesplittet werden soll) unter dem ehemaligen Handelsminister Cham Prasidh.

In der Nationalen Ölbehörde hatte Sok An – für kambodschanische Verhältnisse nicht ungewöhnlich – zahlreiche Verwandte und Familienmitglieder untergebracht. In den verschiedenen, seiner Obhut nun entzogenen Einrichtungen waren überdies viele Gefolgsleute seiner Provinz Takeo untergekommen. Denen droht nach der Logik der Patronage nun der Verlust ihrer Ämter. Noch viel gravierender stellt sich gerade vor dem Hintergrund des jüngsten Kompetenzentzugs jedoch der Umstand dar, dass von den wenigen Ministern, die nach der Wahl ihr Regierungsamt verloren, nicht wenige ebenfalls aus Takeo stammen und damit unzweifelhaft zur Gefolgschaft Sok Ans gehören: Chan Sarun ist nicht mehr Minister für Fischerei, Land- und Forstwirtschaft, Mok Mareth ist kein Umweltminister mehr und So Khun wurde die Leitung des Ministeriums für Post und Telekommunikation entzogen. Einzig Chan Sarun gehört als „Minister für spezielle Aufgaben“ weiter der Regierung an.

Kann das alles Zufall sein? Wohl nicht, aber ganz sicher ist es noch viel zu früh, von einer generellen Entmachtung Sok Ans zu sprechen. Dafür bleiben ihm noch zu viele Posten, etwa die Kontrolle des Khmer Rouge-Tribunals oder der Apsara Authority, die den archäologischen Park Angkor bewirtschaftet. Doch in der Vergangenheit war es nicht immer so, dass Sok An diese zahlreichen Aufgaben problemlos gemanagt hätte. Hinzu kommen zahlreiche parteiinterne Kritiker und Neider, denen die Machtfülle Sok Ans schon lange ein Dorn im Auge war. Vieles deutet jedenfalls darauf hin, dass der Chef der Regierungszentrale gegenüber den KVP-Funktionären nun als Sündenbock für das schlechte Wahlergebnis herhalten muss.

Und in der Tat könnte Hun Sen mit dieser strategischen Entscheidung die notwendige Beweglichkeit beweisen, um selbst wieder ein wenig sicherer im Sessel des Premierministers zu sitzen. Aber auch unabhängig davon dürfte er, wenn auch sehr spät, erkannt haben, dass das System mit dem omnipräsenten Sok An an seine Grenzen gestoßen ist. Außerdem galt der Chef der Regierungszentrale stets als willfähriger Technokrat (überdies hochgradig korrupt und deswegen einer der allerreichsten Kambodschaner) und war – außer bei seinem nutznießenden Gefolge aus seiner Heimatprovinz – alles andere als ein beliebter Politiker.

Dabei hatte er seit Jahren eine gewaltige Aufgabe zu bewältigen: In den letzten eineinhalb Jahrzehnten hatte die Königliche Regierung zahllose (mindestens 50) Ausschüsse, Kommissionen und Räte gebildet, in denen die wesentlichen politischen Entscheidungen getroffen wurden und den Ministerien oft nicht mehr als die Verrichtung der täglichen Routine überließen. Den meisten Ausschüssen sitzt Sok An bis heute vor, der damit ein Pensum absolvieren muss, das nicht nur in Kambodscha seines gleichen sucht. Spätestens seit 2012 ließ sich allerdings nicht mehr verbergen, dass diese Belastungen nicht ohne Auswirkungen auf die Gesundheit des Spitzenpolitikers blieben. Gerüchte über einen schweren Nierenschaden wurden 2012 von offizieller Seite zwar zurückgewiesen, dennoch war bereits auffällig, dass Sok An für mehrere Wochen aus der Öffentlichkeit verschwunden war. Doch die war zur Stelle, als der Chef der Regierungszentrale Ende Januar im Rahmen der Bestattungszeremonie von Norodom Sihanouk kollabierte. Daher kann es auch sein, dass die anhaltende Kompetenzbeschneidung des 63-jährigen durchaus eine nachvollziehbare Reaktion auf seinen angeschlagenen Gesundheitszustand ist. Dass er Hun Sen zu mächtig geworden ist und deswegen an die Seite gedrängt wird, ist wiederum auch nicht auszuschließen, aber eher unwahrscheinlich, auch wenn der Premierminister seinen Stellvertreter in der Vergangenheit nicht nur einmal öffentlich brüskiert hatte.

Dennoch steht Sok Ans politischer Abstieg außer Frage, da er erheblich an Einfluss verliert. Dies war schon in den Wochen nach den Wahlen aufgefallen: Bei den Verhandlungen mit der Opposition war Sok An nicht dabei, dafür sein großer Konkurrent, Innenminister Sar Kheng, als Verhandlungsführer der KVP. Dessen Stern ist in den letzten Wochen deutlich gestiegen, und es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, dass der populärste aller KVP-Spitzenpolitiker als einer der wenigen Nutznießer der aktuellen Krise der Regierungspartei gilt. Er profitiert zwar nicht unmittelbar vom Abstieg Sok Ans, gilt aber hinter Hun Sen nunmehr als unumstrittene Nummer zwei in der Regierung: Erstmals am 10. Oktober 2013 nannte ihn die Phnom Penh Post „geschäftsführenden Premierminister“, als sich Hun Sen auf einer Auslandsreise befand. Eine solche Formulierung kann ganz sicher kein Versehen eines Redakteurs gewesen sein und wäre vor einigen Monaten noch gänzlich undenkbar gewesen.

Als enger Vertrauter Hun Sens galt Sar Kheng allerdings noch nie. Der Premierminister muss also Zugeständnisse machen, die ihm sicherlich nicht leicht fallen.

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3 Antworten zu Der politische Abstieg des Sok An

  1. Mooks schreibt:

    Hun Sen ist ein abgebrühter Polit-Profi, der im Zweifelsfall keine Loyalitäten und familiären Bindungen kennt. Das überraschend schlechte Wahlergebnis hat ihm vor Augen geführt, dass es so wie bisher nicht weiter geht. Einen Teil seiner eigenen Macht abzugeben, kam für ihn aber nicht in Frage. Da ist es ein probates Mittel, die im Volk unbeliebte Nummer zwei zurechtzustutzen. Das sichert erstens die eigne Machtposition innerhalb der Führungsriege und ist zudem noch ein Zeichen an den Wähler. Ich denke, dass es da nicht mal zu einem Bruch zwischen den beiden gekommen ist. Sok An wird schon bei Bekanntgabe des Wahlergebnisses gewusst haben, dass er dafür als einer der Sündenböcke wird herhalten müssen. So ist das in Kambodscha: Hun Sen gibt und Hun Sen nimmt.

    • Markus Karbaum schreibt:

      Ich erinnere mich an ein Interview mit einem der klügsten kambodschanischen Politiker, das ich 2007 führte. Es ging um die Rolle von Sok An im Machsystem von Hun Sen, die ich recht bedeutend einschätzte. Mein Gesprächspartner meinte, ich solle mich nicht täuschen lassen: Hun Sen habe die Macht, jedem Kambodschaner alles zu geben und auch alles wieder zu nehmen. Dennoch bin ich der Meinung, dass der Premierminister durchaus einigen Zwängen, Funktionsprinzipien und Abhängigkeiten unterworfen ist, um sich an der Macht zu halten. Alleine kann er das Kambodscha jedenfalls nicht regieren.

  2. Pingback: Hun Sen fällt nichts mehr ein | cambodia-news.net

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