7. Oktober 2010
Verglichen mit anderen Regionen und Denkschulen, erscheint der Islam in Kambodscha alles andere als extremistisch. Die Cham, jene rund 600.000 Menschen umfassende ethnische Minderheit, gelten vielmehr als friedlich und gut integriert – und das, obwohl ihnen von den Kambodschanern viel Leid angetan wurde: Unter den Roten Khmer wurden von einer viertel Millionen Cham rund 90.000 ermordet; keine andere Volksgruppe hatte so sehr unter dem Terror von Pol Pots Schergen zu leiden. Offensichtlich hat man diese Verbrechen jedoch nicht als ethnische Säuberungen interpretiert, sondern dem ideologischen Wahn der Roten Khmer zugeschrieben.
Kambodschas sunnitischer Islam erfährt zweifelsohne eine Renaissance, die Anzahl der Moscheen hat sich beispielsweise auf heute rund 250 Gotteshäuser verzehnfacht. Ohne internationale Geldgeber wäre das aber nie geschafft worden, und hier streuen all jene ihre Befürchtungen in die Diskussion, die im internationalen Kampf gegen den Terror den Islam als Quelle ausgemacht haben. Der Economist schreibt, dass vor allem die Herkunft des Geldes Anlass zur Sorge mache: das stamme hauptsächlich von den radikalen Wahhabiten aus Saudi-Arabien und den extremistischen indischen Tablighi Jamaat.
Mit dem Geld werden Schulen gebaut und soziale Programme finanziert, aber dass es auch andere Motive geben könnte, hätte man schon an Riduan Isamuddin, genannt Hambali, erkennen können: Der Drahtzieher der Terroranschläge auf Bali 2002 hielt sich lange Zeit in Kambodscha auf und wollte das Land am Mekong zum Ausgangspunkt für Attentate in ganz Südostasien nutzen. Hambali gehörte der US-amerikanischen Regierung zufolge der kuwaitischen Organisation Society of the Revival of Islamic Heritage an, die laut kuwaitischen Offiziellen Verbindungen zu Al-Qaida unterhält (und deswegen auch von den Vereinten Nationen als Partnerorganisation verbannt wurde) und bis heute in Kambodscha aktiv ist. Erst 2008 hatte Kambodschas Regierung 130.000 Hektar Agrarland an Kuwait verpachtet; dafür gab es eine gute halbe Milliarde Dollar und Nebenabsprachen zum Betrieb von Moscheen und Islamschulen.
Nun gibt es freilich keinerlei Befürchtungen, dass derzeit auf kambodschanischem Territorium konkrete Terroranschläge geplant würden. Anlass zur Sorge gebe es allerdings schon, da fragwürdige Institutionen nun aus dem Revival des sunnitischen Islams ihren eigenen Nutzen ziehen wollen. Es sei zu befürchten, dass es Versuche geben könnte, die keineswegs zum Extremismus neigenden Cham gerade vor dem Hintergrund ihres historischen Schicksals aufzuwiegeln und zu radikalisieren. Misstrauen könnte den Cham in Zukunft entgegengebracht werden, da niemand genau weiß, was eigentlich genau bei ihnen intern abläuft. Fundamentalismus bleibe in Südostasien eine starke Kraft, so die britische Wochenzeitschrift, und in diesem Zusammenhang sei das gesetzlose Kambodscha alles andere als ein sicherer Hafen.
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