18. März 2011
Wie funktioniert eigentlich Arbeitsmigration im Dunstkreis modernen Menschenhandels? Son Chhay und Mu Sochua, Abgeordnete der oppositionellen Sam Rainsy Party (SRP), haben nun einen Fall öffentlich gemacht, der die perfiden Methoden erkennen lässt, denen vor allem kambodschanische Frauen ausgesetzt sind. Und wieder einmal steht Malaysia im Mittelpunkt: Das Land wirbt gerne kambodschanische Dienstmädchen an, die nicht viel Kosten und oft ohne irgendwelche Vorkenntnisse vor allem aus den ländlichen Gegenden ihres Heimatlands rekrutiert werden. So auch die Vermittlungsagentur T&P, die ihre Trainingstützpunkte in Kambodscha offenbar zu Gefängnissen umgewandelt hat. Im Februar war eine Frau bereits im Gewahrsam des Unternehmens nach einem Herzanfall gestorben, da ihr das Verlassen des Stützpunktes für einen Arztbesuch über mehrere Tage untersagt wurde. Einige Tage später brach sich eine andere Frau beide Beine bei einem Fluchtversuch, nach dem sie aus dem dritten Stock gesprungen war.
Die Bewegungseinschränkungen werden auch dadurch gefördert, indem die Vermittlungsagentur die persönlichen Dokumente wie Ausweis und Familienbuch der den Arbeiterinnen konfiszierte. Vermittlungshonorar und Trainingskosten werden mit 350 USD veranschlagt, die sich automatisch in zu begleichende Schulden verwandeln, sollte eine Frau ihre Meinung ändern und nicht mehr in Malaysia arbeiten wollen. Dort liegt das Mindestalter für ausländische Dienstmädchen bei 21 Jahren – bei T&P werden nachweislich aber auch minderjährige Kambodschanerinnen angeworben, wozu ihre Dokumente gefälscht werden. Da sind wohl alle Mittel recht, denn der Bedarf an kambodschanischen Dienstmädchen ist unvermindert groß: Einem Bericht des malaysischen Star warten derzeit rund 35.000 Familien „verzweifelt“ auf personelle Unterstützung im Haushalt.
Am 10. März besuchten Son Chhay und Mu Sochua einen der Stützpunkte in Phnom Penh. Ersterer fasste die Erkenntnisse in einem Brief an den malaysischen Botschafter zusammen, den er um Unterstützung bat. Ein Sprecher der Botschaft meinte gegenüber der Phnom Penh Post allerdings, dass die Botschaft nicht viel ausrichten könne und Aufklärung vor allem Aufgabe der kambodschanischen Behörden sei. (Dies ist aber nur zum Teil richtig, denn es ist immer noch die Botschaft, die Arbeitsvisa für die kambodschanischen Dienstmädchen bewilligen muss.) Die sehen ihre Aufgabe aber vielmehr darin, T&P in ihren Geschäften zu schützen, wenn man dem Brief von Son Chhay Glauben schenken mag. Er und Mu Sochua – die offensichtlich wieder einmal auch körperlich bedrängt wurde – sahen sich laut Brief jedenfalls schnell schweren Vorwürfen kambodschanischer Sicherheitskräfte und Repräsentanten des Distrikts ausgesetzt. Um die Lebens- und Trainingsbedingungen der potentiellen Dienstmädchen kümmerten sie sich angeblich nicht. Dagegen berichtet die BBC jedoch, die kambodschanische Polizei habe die Staatsanwaltschaft gebeten, die Verantwortlichen von T&P anzuklagen, und auch die Phnom Penh Post berichtet von einer sehr kritischen Beurteilung der Zustände bei T&P durch das Arbeitsministerium.
Das grundsätzliche Problem wird ungeachtet des weiteren Verlaufs dieses konkreten Falls so schnell nicht verschwinden. Kambodschas Arbeitsmarkt ist einfach nicht groß genug, um die rund zweihunderttausend jungen Menschen, die jedes Jahr neu auf den Arbeitsmarkt drängen, absorbieren zu können. Arbeitsmigration ist aber nicht nur der wirtschaftlichen Notlage geschuldet, sondern fungiert auch als Überdruckventil, mit dem politische Unzufriedenheit eingedämmt werden kann. Auch wenn die im Ausland lebenden Frauen pro Jahr im Schnitt nur umgerechnet 300 USD zu ihren Familien schicken können, handelt es sich im Aggregat doch um einen nicht ganz irrelevanten Kapitalfluss. Insofern wird nachvollziehbar, dass die kambodschanische Regierung ein großes Interesse daran hat, dass andere Länder auch weiterhin von den überzähligen Arbeitskräften Gebrauch machen – zu welchen Bedingungen auch immer.
Bis 2009 standen in Malaysia übrigens noch indonesische Dienstmädchen hoch im Kurs. Aufgrund einer Vielzahl von Beschwerden und Berichten über Missbrauchsfälle verfügte die Regierung in Jakarta allerdings, keine weiteren Staatsbürgerinnen mehr für solche Arbeiten im Nachbarland anzuheuern. Das Moratorium gilt nach wie vor, da es Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono noch nicht gelungen ist, die Arbeitsbedingungen für seine Landsleute in Malaysia verbindlich zu regeln. Unter anderem forderte er einen freien Tag pro Woche und einen Mindestlohn. Da es bisher noch keine Einigung gab, arbeiten viele Indonesierinnen mittlerweile illegal im Nachbarland.
Ähnliche Bestrebungen der kambodschanischen Regierung wie die des indonesischen Präsidenten sind hingegen nicht bekannt. Aber ohne verbindliche Regelungen werden sich die Arbeitsbedingungen der kambodschanischen Dienstmädchen sicherlich nicht substanziell verbessern. Fortschritte auf diesem Gebiet würden aber letztendlich auch der kambodschanischen Regierung nutzen, denn von den rund 20.000 in Malaysia arbeitenden Dienstmädchen entscheiden sich die meisten gegen eine Verlängerung ihres Arbeitsvertrages – und kommen somit sehr schnell wieder in ihre Heimat zurück.
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