Preah Vihear weiter zwischen Saga und Seifenoper

Thailand und Kambodscha haben 2011 den ersten bewaffneten Konflikt zwischen ASEAN-Mitgliedschaften überhaupt ausgefochten. Zankapfel war – und ist – eine rund 4,6 Quadratkilometer große Fläche rund um den hinduistischen Tempel Preah Vihear, der seit 2008 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört und – wenn auch knapp – auf kambodschanischem Territorium steht. So sah es jedenfalls der Internationale Gerichtshof 1962, ohne jedoch in seiner damaligen Entscheidung das Gebiet rundherum berücksichtigt zu haben. In einer Eilentscheidung verfügten die Richter im Den Haager Friedenpalast vor fast genau einem Jahr, die Zone „sofort“ zu demilitarisieren. Doch davon sind die Streitparteien nach wie vor weit entfernt. Der neueste Winkelzug im Zaudern und Zögern beinhaltet nun, das Gebiet zunächst von Landminen zu befreien, ehe es in einer anschließenden dreißigtägigen Frist zu räumen. Da weder der zeitliche Umfang noch der Beginn festgelegt wurden, birgt die damit völlig unverbindlich gewordene Vereinbarung – laut Phnom Penh Post getroffen nach einem zwanzigstündigem Verhandlungsmarathon – die Möglichkeit einer Hinausschiebung zum Sankt Nimmerleinstag.

Außerdem verzögert sich auch das abschließende Urteil der Den Haager Richter. Eigentlich für Mitte 2012 anvisiert, drohen Beweisaufnahme und Entscheidungsfindungsprozess das Verdikt bis in die zweite Jahreshälfte 2013 zu verschieben. Während die Hängepartie in Kambodscha eher mit Gleichgültigkeit aufgenommen wird, dürfte die thailändische Regierung um Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra wohl hochgradig erleichtert sein: Der Konflikt mit Kambodscha birgt enorme innenpolitische Sprengkraft und könnte durchaus auch ihre Regierung in einem weiteren Militärputsch hinwegspülen, sofern sie ungeachtet jeglicher außenpolitischer Räson für ihr Land nicht alles in die Waagschale legen sollte. Yingluck gewinnt also weiter wertvolle Zeit, auch wenn eine Aufschiebung nicht mit einer Aufhebung des Konfliktpotentials verwechselt werden sollte.

So legt der Fall Preah Vihear – in der Tragik irgendwo zwischen Saga und Seifenoper angesiedelt – nicht nur schonungslos die Grenzen internationaler Jurisdiktion offen, der sich – trotz des sehr vorsichtigen Urteils – die betroffenen Staaten immer noch freiwillig unterwerfen müssen, sondern belegt einmal mehr auch die Handlungsohnmacht der Regionalorganisation ASEAN: Die im Februar 2011 auf dem Gipfel in Jakarta vereinbarte Stationierung indonesischer Grenzbeobachter ist immer noch nicht realisiert worden und wird es wohl auch gar nicht mehr. Der Sieger dieser diplomatischen Scharmützel ist dabei eindeutig Thailand, doch spätestens bei der Urteilfällung des Internationale Gerichtshofs dürfte die Strategie des Lavierens und Verzögerns an ihre Grenzen stoßen. Preah Vihear bleibt ein Pulverfass – und die Zündschnur brennt.

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