Kambodscha vergeigt ASEAN-Gipfel

Im Fußball gewinnt man am leichtesten, wenn der Gegner erst gar nicht antritt. Es gehört sich dennoch nicht, eben genau darauf hinzuwirken. Dass der Politik der Sportsgeist nicht gerade selten fehlt, ist hinlänglich bekannt, aber dass der eigene Mannschaftskapitän aktiv daran mitwirkt, kein Team auf die Beine zu stellen und damit kampflos zu verlieren, kommt auch nicht alle Tage vor. Denn das Außenministertreffen der ASEAN-Staaten dieser Woche in Phnom Penh war eine reine Zeit- und Geldverschwendung, da es die zehn Mitgliedstaaten mangels Konsens nicht geschafft haben, zum Ende ihrer Beratungen ein – sonst übliches – gemeinsames Kommuniqué zu verabschieden. Beteiligte Diplomaten sprachen vielmehr von „heftigen Meinungsverschiedenheiten“ in „intensiven Diskussionen“. Und die kambodschanische Regierung, in diesem Jahr im Vorsitz der südostasiatischen Staatengemeinschaft, hatte an dem Scheitern maßgeblichen Anteil – denn von jeher war und ist die Aufgabe des Gastgebers, Einheit zu organisieren, notfalls in Gestalt diplomatischer Floskeln und Phrasen.

Hintergrund der Blamage, die bis auf die Knochen geht, war der altbekannte Disput um ein paar Felsen – insbesondere die der Spratly-Inseln – im südchinesischen Meer. Dort überlappen sich Hoheitsansprüche gleich mehrerer Staaten: Vietnam, Malaysia, Brunei, die Philippinen, Taiwan und nicht zuletzt die Volksrepublik China haben allesamt eigenen Besitz angemeldet. Und eben der rote Gigant aus dem Norden verfolgt schon seit Jahren das Ziel, den Konflikt nicht zu multilateralisieren. Mit anderen Worten: Die ASEAN, mit vier Anrainerstaaten gesegnet, soll partout keine gemeinsame Position beziehen – das Milliardenvolk will die Konflikte mit jedem der weitaus kleineren Staaten am liebsten einzeln ausfechten, denn das verspricht größtmöglichen Erfolg in der Durchsetzung der eigenen Interessen. Wie gut, dass die kommunistischen Alleinherrscher aus Peking über einen engen Verbündeten im Kreise der ASEAN-Staaten verfügen, und Kambodscha kommt seiner Funktion als chinesischer Interessenvertreter sehr zuverlässig, in Anbetracht beständiger chinesischer Finanzspritzen in den letzten Jahren aber auch nicht ganz uneigennützig nach.

Wer es immer noch nicht glauben wollte, hat es jetzt jedenfalls schwarz auf weiß: Im Zweifel stellt Kambodscha die Bündnistreue zu China stets vor den Kooperationswillen mit seinen unmittelbaren Nachbarn. Der Flurschaden, den es damit anrichtet, scheint dem autokratisch regierenden Premierminister Hun Sen und seinem – von ihm stets respektvoll als Lehrmeister genannten – Außenminister Hor Nam Hong herzlich egal zu sein. Doch der ist immens, denn in dem von Kambodscha aktiv betriebenen Scheitern des Gipfels offenbart sich einmal mehr, dass die ASEAN eigentlich keine Gemeinschaft ist. Sondern ein Redeclub, in dem jedes Mitglied mit wenig Gespür für die Nöte des Nachbarn und nur geringer Bereitschaft zum politischen Kompromiss knallhart seine eigenen Interessen verfolgt. Es ist eben dieses Gemeinschaftsgefühl, das Südostasien fehlt und im Vergleich den Erfolg der Europäischen Union erst möglich machte.

Ohne dieses Gemeinschaftsgefühl kann eine regionale Staatengemeinschaft aber nicht funktionieren. Das ist insbesondere dem indonesischen Außenministers Marty Natalegawa wieder einmal bewusst geworden, der anstelle des eigentlichen Vorsitzenden Hor Nam Hong noch versucht hatte, zwischen den Extrempositionen zu vermitteln, am Ende aber angesichts des „unverantwortlichen“ Ausgang des Gipfels laut Voice of America nur noch zugeben konnte, „sehr, sehr enttäuscht“ zu sein. Indonesien – wenn auch letztendlich erfolglos in der Rolle des Mediators – etabliert sich damit immer mehr als einzig stabile Säule der AESAN. Dagegen sehen sich die Philippinen, die in Sorge um das Scarborough-Riff eine gemeinsame Position mit aussagekräftigen Formulierungen forcierten, schon an den Rand gedrängt und könnten sich in Zukunft eventuell noch weiter von der Gemeinschaft entfernen.

Und Kambodscha? Es ist mehr als fraglich, ob man als verlängerter Arm Pekings internationale Reputation sammeln kann, noch dazu in der eigentlich besonders verantwortungsvollen Rolle als vorsitzendes Land der ASEAN. Aber für das Regime in Phnom Penh ist der Machterhalt der wichtigste Antrieb, und dabei spielen die Milliarden aus der Volksrepublik eine weit größere Bedeutung als das Ansehen der Nachbarn. Vielleicht rächt sich das aber schon bald: Im Oktober kämpfen Kambodscha und Bhutan um die Gunst der Weltgemeinschaft, für zwei Jahre dem UN-Weltsicherheitsrat angehören zu dürfen. Wie auch immer die Kampfkandidatur ausgehen mag: Es wäre schon sehr aussagekräftig, wenn selbst die engsten Nachbarn Hun Sen und Co. in diesem Ansinnen ihre Unterstützung versagen würden. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist seit dieser Woche jedenfalls gewachsen.

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