Ieng Sary: Schuldig über den Tod hinaus

Nuon Chea (links) und Khieu Samphan (Mitte) werden ab sofort auf der Anklagebank auf die Gesellschaft von Ieng Sary verzichten müssen. Fotos: ECCC

Nuon Chea (links) und Khieu Samphan (Mitte) werden ab sofort auf der Anklagebank auf die Gesellschaft von Ieng Sary verzichten müssen. Fotos: ECCC

Am 14. März um kurz vor 9 Uhr (Ortszeit) ist Ieng Sary, zwischen 1975 und 1978 Außenminister der Roten Khmer, in einem Krankenhaus in der Hauptstadt Phnom Penh gestorben. Bereits vor zehn Tagen war der ehemalige „Bruder Nr. 3“ mit einer schweren Darmentzündung hospitalisiert worden, vor zwei Tagen dann verlor er endgültig das Bewusstsein. Anders als hunderttausende seiner ermordeten oder verhungerten Opfer genoss der 87-jährige bis zuletzt ärztliche Fürsorge. In einer Stellungnahme „bedauerte“ das Khmer Rouge-Tribunal den Tod des „Beschuldigten“. Der Leichnam werde noch obduziert, um die Ursache festzustellen.

Ieng Sary wurde bereits 1996 – als die Roten Khmer den bewaffneten Kampf gegen die Regierung in Phnom Penh immer noch nicht aufgegeben hatten – im Gegenzug für sein Überlaufen mit zahlreichen Anhängern für seine Taten begnadigt. Er lebte anschließend völlig unbehelligt als freier Mann in Phnom Penh. Letztendlich schützte ihn die Amnestierung aber doch nicht vor der Inhaftierung im November 2007 und der Anklage am hybriden Strafgerichtshof vier Jahre später. Seitdem häuften sich die Momente, in denen seine Gesundheit erkennbar nachließ. Dennoch blieb er grundsätzlich verhandlungsfähig – im Gegensatz zu seiner Frau Ieng Thirith: Die ehemalige Sozialministerin wurde aufgrund fortgeschrittener Demenz verhandlungsunfähig erklärt und im September 2012 aus dem Gewahrsam entlassen.

Für das Tribunal ist der Tod von Ieng Sary der GAU: Entzug vor Verurteilung durch Ableben. Während einige Optimisten immerhin hoffen, der Tod zeige die dringende Notwendigkeit einer entschlossenen Fortsetzung der Verhandlungen, könnte er auch als Beleg des Scheiterns interpretiert werden. Dabei ist Ieng Sary abgesehen vom 1998 verstorbenen Pol Pot schon der zweite, der nicht lang genug lebte, um sein Urteil entgegenzunehmen: Ta Mok, einer der berüchtigtsten Schlächter der Roten Khmer überhaupt, starb bereits 2006, immerhin nicht in Freiheit. Auch Nuon Chea (86), vormals „Bruder Nr. 2“, geht es aktuell gesundheitlich nicht besonders gut. Einzig der jüngste Angeklagte, das ehemalige Staatsoberhaupt Khieu Samphan (81), scheint für sein hohes Alter noch über eine gute Gesundheit zu verfügen.

Unter die Khmer? Klar: Wer keine großen Erwartungen aufbaut, kann letztendlich auch nicht enttäuscht werden. So dominieren bei den Opfern und den Angehörigen der Verstorbenen Gleichgültigkeit über Verbitterung, Zuwendung zu den individuellen Herausforderungen des Alltags über reflektierende Betroffenheit. Vielleicht bleibt es ein schwacher Trost, dass Ieng Sary nicht in Freiheit starb, er sich letztendlich doch noch seiner Verantwortung stellen musste und zu seiner Entlastung nichts, aber auch gar nichts Substantielles vorzubringen wusste. Seine politische Schuld kann die juristische zwar nicht ersetzen, aber er wird sie nie wieder los. Nie wieder.

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2 Antworten zu Ieng Sary: Schuldig über den Tod hinaus

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