Kambodscha vor Staatskrise?

Dass Kambodschas Parlament unter der Regentschaft von Hun Sen kaum mehr als ein der Regierung anhängendes Akklamationsorgan ist, ist seit längerem bekannt. Aber wie sehr sich heute die sogenannten Volksvertreter vom Volk abschotten mussten, zeigt einmal mehr die fehlende Verbindung zwischen Regierten und Regierenden. Dass die heutige Eröffnung der fünften Legislaturperiode seit 1993 unter der Leitung von König Norodom Sihamoni zu einem Sinnbild der politischen Krise wurde, lag aber auch an der Abwesenheit der gewählten Vertreter der oppositionellen Partei zur Rettung der Kambodschanischen Nation (PRKN), die trotz einiger Gesprächsrunden mit der dauerregierenden Kambodschanischen Volkspartei (KVP) in der vergangenen Woche das Wahlergebnis weiterhin nicht anerkennt.

Droht nun eine Staatskrise, da laut Verfassung mindestens 70% der Abgeordneten (gleich 87 Mandatsträger) an der konstituierenden Sitzung teilnehmen müssen? Davon ist eher nicht auszugehen, da Hun Sen sich noch nie von der Verfassung hat aufhalten lassen, wenn es darum ging, seine politischen Ziele durchzusetzen. Wenn er entscheidet, dass die heutigen 68 KVP-Politiker ausreichen: wer will ihm da widersprechen? Immerhin hat er es geschafft, den König – für welche Gegenleistung auch immer – auf seine Seite zu ziehen. Auch in Abwesenheit der Opposition wird sich Hun Sen in den nächsten Tagen wieder zum Premierminister wählen lassen und die neue Regierung präsentieren. Gerüchten zur Folge könnte es dabei einige interessante personelle Veränderungen geben.

Und die Opposition? Ihr war zuvor gedroht worden, sämtliche Mandate zu verlieren, würde sie die Sitzung heute boykottieren. Doch ob Hun Sen so weit gehen und den innenpolitischen Konflikt eskalieren lassen möchte, ist eher unwahrscheinlich. Er wird Sam Rainsy und Co. vielleicht noch einmal die Hand reichen, dann aber sicherlich zum Regierungsalltag zurückkehren und die Opposition weitgehend ignorieren, sollte sie weiter an ihrem Boykott festhalten. Doch deren Situation ist nicht ganz einfach: Manche Anhänger neigen kaum dazu, irgendwelche Kompromisse mit der Regierung einzugehen und beharren auf der Maximalforderung des Regierungswechsels. Obwohl sich in den letzten Wochen gezeigt hat, dass ein Ende des Hun Sen-Regimes aktuell völlig unrealistisch ist, versucht die PRKN-Führung diesen Strömungen gerecht zu werden. Doch der Preis dafür könnte erheblich sein, schließlich gilt es in den nächsten Tagen, die Parlamentsausschüsse neu zu besetzen, wobei die Opposition trotz des guten Wahlergebnisses wieder leer ausgehen könnte.

Vieles spricht dafür, die festgefahrene Situation mit internationaler Vermittlung aufzulösen. Das wird zwar viele Khmer zu Recht enttäuschen, denn die Wahlen waren alles andere als frei und fair, das Ergebnis insgesamt unglaubwürdig. Aber in Kambodscha wurde politische Macht noch nie über Stimmzettel vergeben, und auch 2013 wird sich daran nichts ändern.

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5 Antworten zu Kambodscha vor Staatskrise?

  1. alphachamber schreibt:

    „… die festgefahrene Situation mit internationaler Vermittlung aufzulösen…“
    Ich denke, davon hatten die Khmer schon mehr als genug. Diese „internationale Vermittlungen“, (Redewendung für Diktate der westlichen Moral-Monopolisten) haben doch zu dieser Situation geführt. Som Lie-haey!

    • Markus Karbaum schreibt:

      Mit internationaler Vermittlung meine ich eher, dass diejenigen, die noch Zugang zu Sam Rainsy haben, ein paar Worte mit ihm wechseln sollten. Schließlich fußt vieles von dem, was er tut, auf einer gewissen internationalen Wertschätzung im Westen, die er (auch mit Blick auf seine anti-vietnamesischen Ressentiments im Wahlkampf) zurzeit ein wenig aufs Spiel setzt.

  2. Pingback: King Sihamoni opens new Cambodian Parliament without opposition. | Living in Phnom Penh

  3. Thomas Bovet schreibt:

    Diesen „Zugang“ haben die US, dessen Frontmann er ist; ein Laufbursche, wie Rannaridh vor ihm. Er hat keinerlei verwaltungsmäßige Strukturen durch welche er regieren KÖNNTE.
    Ähnlich wie „The Lady“ in Myanmar kann er nur in Opposition überleben. Die junge Generation kennt seine korrupte Vergangenheit nicht. Er versagte kläglich nach nur knapp einem Jahr in der ersten Regierung. Schon 1994 wurde er selbst für seine eigene Partei (FUNCINPEC) ein peinlicher Faux pas – eine echte Leistung damals, als sich doch jeder Moron in der Regierung hielt.
    Ich denke nicht, die Khmer haben ihn verdient. Der Westen sollte lernen besser mit Hun Sen zu arbeiten – wenigstens im Moment, als den Burgfrieden Ihrem alten Hass gegen Vietnam zu opfern.
    Meinen vollen Kommentar zu den Wahlen finden Sie auf diesem Link: http://liberalerfaschismus.wordpress.com/2013/09/24/die-roten-demokraten/
    Herzliche Grüße.

  4. Pingback: Frankreich und Australien gratulieren Hun Sen | cambodia-news.net

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