Am Ende (wie eigentlich immer in der Weltgeschichte und daher eigentlich gar keine besondere Erwähnung wert) haben sich dann doch wieder die Realpolitiker durchgesetzt: Mit Frankreich und Australien haben zwei „Schlüsselgeberländer“ (Phnom Penh Post) Hun Sen zur Wiederwahl gratuliert und damit nicht nur diesen juristisch höchst zweifelhaften Akt, sondern auch die Ergebnisse der Parlamentswahlen vom Juli trotz gravierender Hinweise auf systematischen Wahlbetrug diplomatisch anerkannt. Durch die Anwesenheit westlicher Diplomaten bei der konstituierenden Sitzung der Nationalversammlung am 23. September, welche von der Opposition geschlossen boykottiert worden war, hatte sich diese außenpolitische Weichenstellung allerdings bereits seit drei Wochen angekündigt.
In den letzten Tagen hatte die oppositionelle Partei zur Rettung der Kambodschanischen Nation (PRKN) die westlichen Geber dazu aufgerufen, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen. Grund sei vor allem der Bruch der Verfassung und die dadurch fehlende Legitimität der neuen Regierung. Diese Argumentation überzeugt inhaltlich durchaus, da die Verfassung ziemlich eindeutig festschreibt, wie viele Abgeordnete anwesend sein müssen, um das Parlament zu konstituieren (120) und mit wie vielen Mandatsträgern das Parlament überhaupt beschlussfähig ist (87). Sowohl bei der Eröffnungsversammlung als auch bei der Wahl Hun Sens zum Premierminister wurden beide Quoren verfehlt, womit die neue Regierung de jure gar nicht im Amt sein kann und dies de facto nur über einen stillen Putsch erreicht hat (auch an dieser Stelle überzeugt die Argumentation der Opposition).
Dass Hun Sen hat die Verfassung vom 24. September 1993, insbesondere die Menschenrechte und weitere liberal-demokratische Prinzipien, noch nie wirklich interessiert hat, ist ebenfalls keine tagesaktuelle Nachricht. Neu ist hingegen in diesem Jahr, dass er auch die prozessualen Bestimmungen der Verfassung ignoriert. Doch jetzt profitiert er davon, dass dem westlichen Ausland – also Staaten, die oft vorgeben, demokratischen Prinzipien verpflichtet zu sein – die sonstigen Umstände inklusive der geschriebenen Verfassungen ziemlich egal zu sein scheint. Sie haben sich wohl so sehr an Hun Sen gewöhnt, dass sie sich ein Kambodscha ohne ihn wohl nicht mehr vorstellen mögen. Dass ein beträchtlicher Teil der Khmer das völlig anders sieht, dürfte dabei niemanden interessieren.
Für Hun Sen, dauerregierender Regierungschef seit Ende 1984, wiederum sind die Gratulationen Gold wert, denn sie beschaffen ihm die notwendige innen- wie außenpolitische Legitimation, die in den letzten Wochen abhandengekommen war. Vor allem internationale Verträge oder Vereinbarungen mit multinationalen Konzernen lassen sich so wieder völlig problemlos abschließen. Für die Opposition wiederum sind die Briefe des französischen Ministerpräsidenten und seines australischen Amtskollegen eine herbe Enttäuschung – von allen relevanten Staaten haben einzig die USA noch nicht entschieden, wann oder ob sie die Regierung nun anerkennen werden.
Insbesondere die Entscheidung Frankreichs dürfte weitreichende Folgen haben. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass sich die EU in dieser Frage uneinheitlich verhalten will oder wird. Daher dürften nicht nur die EU und ihre Institutionen bald nachziehen, sondern auch die Mitgliedsstaaten inklusive Deutschland. Nicht nur deswegen erscheint die deutsche Außenpolitik gegenüber Kambodscha eher schmalbrüstig als unabhängig oder selbstbewusst.
Aber wer weiß es schon genau? Vieles spricht eher dafür, dass die Bundesrepublik ganz glücklich ist über den ersten Schritt des Nachbarn: Sollen sich die Franzosen doch die Hände schmutzig machen! Unter dem Deckmantel der europäischen Geschlossenheit werden wir dann folgen, aber die Anerkennung geht für uns natürlich absolut in Ordnung!
Natürlich werden D und die EU einknicken – es ist zum Heulen.
Ade mit allen Demokratisierungsbemühungen des Westens.
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