Kambodschas neue Spirale der Gewalt

Der Mord an Chut Wutty, der am Montag beerdigt worden war, bestimmt weiter die öffentliche Debatte in und um Kambodscha. Jüngsten Plänen zu Folge soll laut Voice of America nun eine Regierungskommission installiert werden, die den Fall aufarbeiten soll. Aber vor allem in der Zivilgesellschaft wird bezweifelt, dass dort Erhellendes zu Tage gefördert wird. Allein der Hinweis der Phnom Penh Post, die Militärpolizei habe bisher drei sich widersprechende Varianten des Vorfalls im Kardamomgebirge präsentiert, gibt in der Tat wenig Hoffnung auf Aufarbeitung. Außerdem ist davon auszugehen, dass Premierminister Hun Sen in dem Gremium zweifelsohne die Kontrolle behalten und selbst entscheiden wird, was an die Öffentlichkeit kommen darf und was im Giftschrank bleibt. Insofern wird es der Kommission vor allem darum gehen, einigen Beteiligten eine saubere Weste zu bescheinigen.

Denn mit Sao Sokha, dem Kommandeur der Militärpolizei, ist einer der engsten und einflussreichsten Schergen des Regierungschefs in den Mord involviert. Zwar kann man davon ausgehen, dass der General persönlich nichts mit dem gewaltsamen Tod des Umweltaktivisten zu tun gehabt haben dürfte, aber solche Ereignisse geben schließlich auch Anlass, Strukturen und Abläufe zu hinterfragen. Denn vor  allem geht es um die Frage, welche Beihilfe die Militärpolizei der Timber Green Company Ltd leistet, die im Distrikt Modul Seima, Provinz Koh Kong, angeblich den tropischen Regenwald für den Bau eines Wasserkraftwerks durch chinesische Bauunternehmen rodet. Aber das soll übereinstimmenden Berichten zufolge nur ein Vorwand für den überaus lukrativen Handel mit Edelhölzern sein, in den – mehrere Publikation haben das seit den 90er Jahren nachgewiesen – die kambodschanischen Streitkräfte tief verstrickt sind. Auch nun ist es überaus wahrscheinlich, dass die Gruppe Militärpolizisten, die auf Chut Wutty stieß, für Timber Green arbeitete – schließlich ist es in Kambodscha völlig üblich, dass Polizisten und Soldaten von privaten Firmen als Sicherheitskräfte angeheuert werden.

Und das ist schon ein wesentliches Prinzip des organisierten Verbrechens in Kambodscha, denn in einem autokratisch regierten Land mit ausgeprägten Hierarchien sind Joint Ventures in einem solch sensitiven Geschäftsfeld ohne die aktive Zustimmung der Kommandeure nicht denkbar. Wer hinter Timber Green (trotz bereits bestehendem öffentlichen Interesse) steckt, ist aktuell noch unklar, aber sehr häufig werden solche Firmen formal von Ehefrauen oder Kindern von Generälen und Top-Politikern geführt, die so den Anschein zu erwecken versuchen, mit diesen Vorgängen selbst nichts zu tun zu haben. Doch in Kambodschas pyramidal aufgebautem Korruptionssystem wird an der Spitze ganz genau registriert, wer wie sein Geld verdient und vor allem wie viel. Und diesen wirtschaftlichen Freiraum muss sich (fast) jeder erkaufen, und die Genehmigung erteilt eben nur einer.

Dass das System Hun Sen seit dem Mord an Gewerkschaftsführer Chea Vichea in den vergangenen Jahren gut acht Jahren mit relativ wenig Gewalt ausgekommen war, hat den Apologeten internationaler Entwicklungszusammenarbeit durchaus in die Karten gespielt. Hun Sen als Garant für Frieden und Stabilität – das haben einige so verkauft, und tatsächlich wurde es ihnen auch abgenommen. Und nun? Schluss, aus, vorbei! Mit Blick auf die letzten Monate wird deutlich, dass Kambodscha in eine neue Spirale der Gewalt geraten ist, in der der Mord im Kardamomgebirge bedauerlicherweise nur der vorübergehende Höhepunkt zu sein scheint. Borei Keila, Snuol, Bavet– die überzogene und fast immer willkürliche Anwendung von Gewalt hatte sich zuvor schon an anderen Orten gezeigt. Und dort ging es stets um sehr fundamentale Probleme Kambodschas: Zwangsvertreibungen, Machtmissbrauch und/oder maßlose Korruption.

Mit Blick auf die anstehenden Gemeinderatswahlen in wenigen Wochen und die dann noch wichtigeren Parlamentswahlen 2013 sind in naher Zukunft weitere Anlässe gegeben, die die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung weiter senken können. Denn Hun Sen und seine regierende Kambodschanische Volkspartei (KVP) haben schon oft gezeigt, dass sie bereit und fähig sind, ihre Pfründe mit aller Macht zu verteidigen – koste es, was es wolle. Eine neue Welle der Gewalt droht, und sie kann und sollte nicht dadurch abgewendet werden, in dem man den Kambodschanern zuruft, sich mit ihrer hochgradig korrupten Regierung klaglos abzufinden. Aber es gibt durchaus auch im  Westen Geberländer, die sich das so gerade wünschen.

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2 Antworten zu Kambodschas neue Spirale der Gewalt

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