Hun Sen verkündet vorübergehendes Moratorium agroindustrieller Landkonzessionen

Nach dem Mord am Umweltaktivisten Chut Wutty in der vorvergangenen Woche war Kambodschas Regierungschef Hun Sen auffällig zurückhaltend geblieben; auf öffentliche Ansprachen und Stellungnahmen des Premierministers zu diesem Fall wartete man vergebens. Nun aber hat Hun Sen mit einem vorübergehenden Moratorium in der Vergabe agroindustrieller Landkonzessionen auf Aufsehen gesorgt, was von einigen Beobachtern in eine zumindest indirekte Beziehung zu dem nun mehr als zehn Tage andauernden Skandal gebracht wird. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, ziele dieser Beschluss darauf ab, Zwangsvertreibungen und illegalen Holzeinschlag einzudämmen. Von Firmen, die in solche Praktiken involviert sind, könnten bereits ausgestellte Konzessionen darüber hinaus auch konfisziert werden. Laut Phnom Penh Post müssten alle Unternehmen außerdem die tiger formula of development befolgen, nach der Land einer Gemeinde, auch wenn es zur Konzession dazugehört, nicht angetastet werden darf.

Mehr als bloß eine Fußnote ist außerdem der Hinweis von Associated Press zu werten, dass aktuell der UN-Sondergesandte Surya Subedi in Kambodscha weilt. Der Rechtsprofessor von der Universität Leeds war wie einige seiner Vorgänger bei seinen Besuchen oft zur verbalen Zielscheibe der kambodschanischen Regierung mutiert, wenn er auf die andauernden Verletzungen der Menschenrechte hinwies. Zufall oder nicht: Die Vergabe von Landkonzessionen und ihre Wirkung auf die lokalen Lebensbedingungen ist just sogar Thema seiner einwöchigen Mission in Kambodscha, insbesondere in Ratanakkiri, Kratie und Stung Treng.

Wie sehr die Regierung aber tatsächlich an einer Verbesserung der Menschenrechtslage im Landsektor interessiert ist, darf durchaus in Frage gestellt werden. Gründe dafür gibt es reichlich: innenpolitisch stehen die Gemeinderatswahlen an, bei denen die regierende Kambodschanische Volkspartei (KVP) ihren Erdrutschsieg aus dem Jahr 2007 gerne wiederholen möchte; und außenpolitisch steht die Regierung durch den Vorsitz der Staatengemeinschaft ASEAN und die Bewerbung um einen nicht-ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat unter besonderer Beobachtung. Trotzdem wiegen diese Argumente nicht viel im Vergleich zu den Funktionslogiken der organisierten Korruption und des Systems des Machterhalts: Die Profite in der Konzessionsvergabe, die laut Menschenrechtsorganisation ADHOC im letzten Kalenderjahr mehr als zwei Millionen Hektar Landfläche umfasste, sind enorm und fließen direkt und über Umwege in die Taschen der Spitzenpolitiker und ihres Gefolges.

Und in der Tat wird sich mit dem gestrigen Tag nicht viel in Kambodscha ändern: Zum einen handelt es sich nur um einen vorübergehenden Stopp, und zum anderen ist es unwahrscheinlich, dass nun ein Politikwechsel eingeläutet wird. Hun Sen, der eigentlich nie um direkte Ansprachen und deutliche Worte verlegen ist, wirkt und regiert zu einem erheblichen Teil durch seine öffentlichen Auftritte. Die fehlen jetzt völlig, wodurch die von ihm unterzeichnete Anordnung an Glaubwürdigkeit nicht gerade gewinnt. Darüber hinaus fehlen weiter friedliche Konfliktlösungsmechanismen wie unabhängige Gerichte, die bestehende Streitfälle – die nicht selten existenzbedrohend für die betroffenen Menschen sind – beilegen könnten. Und viele weitere werden noch dazukommen, denn noch längst nicht haben sich viele der bereits vergebenen Konzessionen in der Realität voll entfaltet.

Wenn man es so sagen will, lauern neben Minen und Blindgängern der Kriege auch noch ganz andere Zeitbomben im kambodschanischen Boden. Daher kann man ADHOC voll und ganz zustimmen, dass der Anordnung nicht nur die Nachhaltigkeit fehlen wird, sondern schlicht und ergreifend viel zu spät kommt.

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