Am 2. August erreichten mich Kommentare von Raimund Weiss zu meinem bisher letzten Artikel, den ich aufgrund seiner Brisanz an dieser Stelle besonders hervorheben und erwidern möchte. Herr Weiss schrieb unter anderem:
„Es ist immer wieder verwunderlich wie unkritisch die Opposition im Ausland gesehen wird ganz nach dem Schema Opposition ist gut, Regierung ist schlecht. Beruecksichtigt man die nationalistisch populistische wenn nicht rassistische Wahlkampagne der Opposition in diesen Wahlen dann kann man nur hoffen dass diese Populisten, denen in Europa kein Glaube geschenkt wird, abgesehen von den Ewiggestrigen keine Chance gegeben wird.“
Lieber Herr Weiss,
da Sie dies auf meinem Blog posten und anscheinend nicht woanders, gehe ich davon aus, dass Sie Ihre Behauptung der unkritischen Betrachtung der Opposition (auch) auf mich beziehen. Das überrascht mich sehr, denn das Gegenteil ist der Fall: Anfang Juni habe ich in einem längeren Artikel auf die anti-vietnamesischen Ressentiments der CNRP hingewiesen. Darüber hinaus habe ich dasselbe Thema in einem Aufsatz für den Southeast Asia Globe angesprochen, und schließlich habe ich in meiner Analyse vom 29. Juli die heftige Polemik, die letzten Montag in der Phnom Penh Post geäußert worden war, mit eingebaut – was ich wohl nicht getan hätte, wenn ich sie für völlig unangemessen gehalten hätte.
Im Übrigen geht es – und da scheint ein gravierendes Verständnisproblem vorzuliegen – nicht darum, die Opposition auf einen moralischen Sockel zu heben, sondern auf die systematischen Beeinträchtigungen im politischen Wettbewerb hinzuweisen, der nur auf dem Papier demokratisch ist. Gleiches gilt für die Einhaltung der Menschenrechte in der kambodschanischen Verfassung. An dieser Stelle möchte ich insbesondere auf die hunderttausende Opfer von land-grabbing hinweisen – sollen die Ihrer Meinung nach der Hun Sen-Regierung dankbar sein für eine weitsichtige Wirtschaftspolitik? Diese Menschen stehen nach einer Zwangsräumung meist vor dem existentiellen Nichts – wer ist denn dafür Ihrer Meinung nach verantwortlich? Sind das bloß Kleinigkeiten, die von geldgierigen NGOs völlig dramatisiert werden?
Bedenken Sie bitte außerdem die zahlreichen Todesopfer beispielsweise unter Politikern (Hinrichtungen von Funcinpec-Führern im Zuge des Putsches im Juli 1997), Gewerkschaftern (es wurde nicht nur Chea Vichea ermordet) und Demonstranten (nach den Wahlen 1998) – allesamt Fälle, die in ein Raster passen, weil sie entweder für die Machtkonsolidierung des Regimes notwendig waren oder zur Sicherung der fundamentalen Interessen erforderlich erschienen. Ist Ihnen außerdem bewusst, dass Sam Rainsy am 30. März 1997 nur deswegen das Mordattentat überlebte, weil ihn sein Bodyguard beim Wurf der Handgranaten zu Boden riss, sich auf ihn legte und dabei selbst starb – wie rund 20 weitere Menschen auch? Dass bei all diesen und vielen weiteren Fällen (zuletzt die Ermordung des Umweltaktivisten Chut Wutty) nicht ein einziges Mal vor einem Gericht eine zumindest halbwegs seriöse Aufklärung stattfand – sind das Ihrer Meinung nach unerhebliche, völlig unpolitische Details?
Ich könnte an dieser Stelle noch weitere Aspekte nennen, die belegen, welch unmittelbaren Folgen unverantwortliches Regierungshandeln auf konkrete Lebenssituationen hat – etwa durch die überbordende Korruption, wodurch viele Spitzenpolitiker unrechtmäßig ein Milliardenvermögen angehäuft haben, während andere Kambodschaner mitunter den Arzt im Krankenhaus nicht bezahlen können, selbst in Notsituationen dann nicht behandelt werden – und sterben. Nennen Sie mir bitte dagegen einen konkreten Fall, in der durch eine Handlung oder eine Äußerung der Opposition irgendein Mensch unmittelbar zu Schaden gekommen ist!
Ich gebe Ihnen völlig Recht, dass man sehr besorgt sein muss, dass es so bleibt. Manche Äußerungen von Politikern der CNRP sind absolut unentschuldbar und gewiss nicht zu verharmlosen. Ich werde meiner persönlichen Verantwortung, die ich aufgrund meiner Publikationsaktivität ohne jede Einschränkung akzeptiere, daher weiter nachkommen und wie in der Vergangenheit auch auf diese Dinge explizit hinweisen. Damit erhoffe ich mir, dass auch in Europa ein Problembewusstsein für den latenten wie offenen Rassismus in Kambodscha entsteht und in Gesprächen mäßigend auf Kambodschas Oppositionspolitiker eingewirkt werden kann, bevor es zu spät ist. Für mindestens genauso wichtig erachte ich aber weiterhin die Einflussnahme der EU und ihrer Mitgliedsstaaten auf die kambodschanische Regierung, um die gravierende Problematik im Landsektor in den Griff zu kommen, für Rechtsstaatlichkeit zu sorgen und die Meinungsfreiheit zu achten.
Mit freundlichem Gruß
Ihr
Markus Karbaum
Es gibt immer ein dafür oder dagegen,ich selber leben in Cambodia jetzt seit 4 Jahren und mich erschrecken die Tatsachen, dass die Anhänger von der CNRP und ebenso viele Monks die Stadt (Phnom Penh) in Feuer legten! Sie sind mir (mein Gefühl) eher feindlich eingestellt, möchten lieber die Ausländer wieder aus dem Land haben! Also Fortschritt,Demokratie und Entwicklung sehen für mich anders aus! Für mich ist Sam Rainsy eher ein Brandstifter, der Cambodia erneut ins Chaos und Elend stürzen wird! Natürlich muss man nicht alles befürworten was von der CPP kommt, unvergessen bleiben auch Geschehnisse der Vergangenheit, aber ich bin froh das Hun Sen und seine CPP gewonnen haben. Ich hoffe das die Entwicklungen der letzten Jahre sich auch in Zukunft weiter entwickeln und es der Bevölkerung besser geht. Aber mal ehrlich, wer von Euch spricht mit der Bevölkerung? Ich lebe mit ihnen und eine Vielzahl möchte einen wechsel an der Spitze,jedoch nicht einen wechsel vom System! Natürlich ist es komisch für UNS, wenn man hört; …wir sind eigentlich zufrieden mit dem was wir haben!…,aber so sollte man es auch akzeptieren! Das Militär hat nicht wegen Hun Sun die Strassen nach der Wahl abgeriegelt,nicht nur in Phnom Penh,auch in den Provinzen, sondern sie mussten das Land schützen vor den Brandstiftern und Randaletreibern! Schon komisch das die “ Befreier“ erstmal alles niederbrennen oder zerstören um ihre Meinung kund zu tun! Hoffentlich beendet man dieses Treiben wieder und ich hätte Sam Rainsy nicht wieder ins Land gelassen! Er ist zwar sehr beliebt bei der Bevölkerung, jedoch vermute ich, dass er nicht zum Vorteil seines Landes ist, es wird bei ihm ebenso Korruption geben wie es Heute noch ist, Chaos lange im Land herschen und Investoren werden ihre Gelder wieder abziehen. Bis zum Wahltag haben schliesslich viele Ausländer das Land verlassen, einige hatten die Befürchtung Sam Rainsy könnte die Wahl gewinnen und man muss um sein Leben fürchten! Ich kenne keinen Ausländer, der wegen Hun Sun geflohen wäre! Mein Fazit; ich bin froh das Hun Sen erneut die Wahl gewonnen hat und meine Frau und Kinder weiterhin sicher leben können.
Mit Besten Grüssen
Heiko Kschinna
Lieber Herr Kschinna,
klar, wer Geld hat (zumindest mehr als die Mehrheit der Khmer, die nach wie vor mit weniger als zwei US-Dollar am Tag auskommen müssen), kann in Kambodscha prima leben. Deshalb kann ich Ihre Verlustängste nachvollziehen, auch wenn ich Ihre Wortwahl nicht teile. Und für diese Mehrheit der Khmer gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Lebensbedingungen im eigenen Land verbessern und woanders hingehen. Zum Beispiel auf nach Bangkok zum Betteln, als Haushaltshilfe nach Malaysia oder auf thainländische Fischtrawler (über diese Armutsmigration und ihre konkreten menschenrechtlichen Konsquenzen wurde hier bereits berichtet). Und das ist eben der Unterschied zu allen Expats: Wenn Kambodscha nicht mehr attratktiv genug zum Leben ist, kann man problemlos wieder weggehen – in Deutschland gibt es zumindest die Grundsicherung des ALG II (Gesamtleistung hier pro Person und Tag: rund 50 US-Dollar!). Nein, der Mangel an Sozialstaatlichkeit in Kambodscha provoziert so extreme Ungleichheiten, dass dadurch die Gefahr politischer Instabilität wächst. Die wird sich früher oder später Bahn brechen, was wir jetzt erleben, sind erst die Vorboten. Die Opposition bedient sich dieser Problematik (und wie im Artikel angesprochen mit teilweise unakzeptablen Methoden), sie ist dafür aber nicht verantwortlich. Im Übrigen finde ich den Duktus, den ich gerade bei vielen Deutschen beobachte, befremdlich, wenn angedeutet wird, dass es sich bei dem aktuellen Regime zumindest um das kleinere Übel handelt und eine „geordnete“ Diktatur dem Risiko von unkontrollierbaren Meinungsbildungsprozessen einer Demokratie vorzuziehen sei. Das ist bereits so oft widerlegt worden, dass ich mit dieser Obrigkeitsgutgläubigkeit jedenfalls nichts anfangen kann.
Schönen Gruß nach Prey Veng!
Hallo Herr Karbaum,
ihre Worte in allen Ehren aber was soll an der Meinung der besagten Deutschen befremdlich sein? Ist es nicht eine normale, menschliche Reaktion das jemand die für sich persönlich beste Situation bevorzugt? Es ist doch nur verständlich, das Ausländer die in Kambodscha gut leben und sich vielleicht auch etwas aufgebaut haben daran interessiert sind, das sich ihre Situation möglichst nicht verändert. Man muss diese Meinung ja nicht teilen aber nachvollziehbar ist sie für mich schon.
Don Kong
Nein, diese Meinung, die Sie kurz zusammenfassen, finde ich überhaupt nicht befremdlich. Ich bedaure, falls dieser Eindruck entstanden sein könnte. Was ich aber befremdlich finde, ist der Ruf nach einer „starken Hand“, einem durchsetzungsfähigen politischen Führer – was meistens instrumentalisiert wird, um Menschen Freiheitsrechte vorzuenthalten. Die liberale Demokratie ist nicht immer einfach, oftmals langsam durch ihre umfangreichen Entscheidungsprozesse und mit einigen systemimmanenten Schwächen (siehe Staatsverschuldung) ausgestattet, aber wie Winston Churchill schon sagte: „Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“
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