Demokratie kann man auch verordnen: Das Zentralkomitee der regierenden Kambodschanischen Volkspartei (KVP) hat ihre Organe auf kommunaler Ebene angewiesen, im Januar Vorwahlen abzuhalten, in denen über die Kandidaten der Parteiliste für die Gemeinderatswahlen am 4. Juni einschließlich der Spitzenkandidaten für das Bürgermeisteramt abgestimmt werden soll. Das hat es in ähnlicher Weise bereits in der Vergangenheit gegeben, allerdings in wenig transparenter Form. Auch wenn Vorwahlen als Ausweitung politischer Partizipationsrechte grundsätzlich zu begrüßen sind, werden größere Überraschungen aufgrund der ausgeprägten hierarchischen Strukturen in der kambodschanischen Politik wohl ausbleiben. Vielleicht wird es in den 1.646 Gemeinden spannend, in denen die bisherigen Bürgermeister nicht mehr antreten und mehrere Nachfolgekandidaten bereitstehen; es ist aber kaum zu erwarten, dass für die Nominierung alleine das Vorwahlergebnis herangezogen wird. Bedauerlicher Weise ist der Bericht der Phnom Penh Post recht lückenhaft; unklar bleibt bisher jedenfalls, wo es zu Kampfabstimmungen kommen wird, wer überhaupt wahlberechtigt ist und ob geheim abgestimmt wird – und warum Vorwahlen vor Parlamentswahlen weiterhin kein Thema für die KVP ist.
Und während sich die KVP selbstbewusst als basisdemokratische Speerspitze präsentiert, steht die oppositionelle Partei zur Rettung der kambodschanischen Nation (PRKN/CNRP) plötzlich nicht mehr wie das Leuchtfeuer der drangsalierten demokratischen Kultur Kambodschas, wie sich selbst nach außen so gerne darstellt, da. Nicht nur, dass Vorwahlen in der Kandidatenselektion nur die Ausnahme bleiben: Auch sonst tut sich die CNRP schwer, die demokratischen Ansprüche, die sie an die Regierung stellt, zunächst einmal in der eigenen Partei zu verwirklichen. Rückschlüsse auf die Frage, wie sie selbst wohl die Regierungsgeschäfte gestalten würde, geben diesbezüglich jedenfalls keinen Anlass zu grenzenlosem Optimismus.
Dabei sind die Vorwahlen der KVP mehr als ein reiner PR-Coup, denn sie eignen sich wunderbar, die eigenen Kandidaten und Kandidatinnen einem ersten Test zu unterziehen, die eigenen Wähler zu mobilisieren und überhaupt einen Eindruck davon zu bekommen, wie die Stimmung an der Basis ist. Zurzeit ist nämlich kaum vorherzusagen, welche Überraschungen der Wahltag für die beiden großen Parteien bereithält. In der Vergangenheit hatte die regierende KVP, die aktuell noch in sage und schreibe 97,5% der Gemeinden die absolute Mehrheit hält, auf kommunaler Ebene immer besser abgeschnitten als bei Parlamentswahlen. Angesichts der störungsarmen Wählerregistrierung im Herbst 2016, dem erstmaligen Antreten der CNRP (die erst nach den letzten Gemeinderatswahlen gegründet worden war) und der Unzufriedenheit vieler junger Kambodschaner mit der Regierung ist lediglich klar, dass diese Dominanz bald Geschichte sein wird – auch wenn die KVP landesweit wieder die meisten Stimmen erhalten dürfte.
Angesichts der minimalen Autonomie kambodschanischer Gemeinden bleiben die Wahlen zwar ohne echte Konsequenz für die gesamtstaatliche Politikgestaltung, gelten aber als immens wichtiger Stimmungstest für die Parlamentswahlen knapp vierzehn Monate später. Eines ist schon jetzt klar: Sollte die KVP die Gemeinderatswahlen nur knapp gewinnen, läuft sie ernsthafte Gefahr, ein Jahr später ins Hintertreffen zu geraten. Doch angesichts der erheblichen Repressionsbereitschaft, die das Regime schon 2016 an den Tag gelegt hat, verbittet sich eigentlich jegliche Projektion auf den folgenden Urnengang: Bis zum 29. Juli 2018 kann noch viel passieren, und es wird noch viel passieren.
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