Kambodschas Premierminister Hun Sen holt zum finalen Schlag gegen die Opposition aus: Im April soll die Nationalversammlung Änderungen des Parteiengesetzes beschließen, wodurch eine Partei aufgelöst werden könnte, wenn ihr Präsident „schwerwiegende Fehler“ beginge. Das zielt allein auf Sam Rainsy, den Kopf der oppositionellen Partei zur Rettung der Kambodschanischen Nation (PRKN/CNRP), der sich in den letzten Jahren einige sehr kreative Vorwürfe aus dem Regierungslager hat anhören müssen. Allerdings ist die Konfrontation zwischen den beiden Protagonisten seit dem Mordanschlag vom 30. März 1997 an Sam Rainsy nicht mehr so extrem gewesen wie aktuell; im September 2016 wurde der Oppositionsführer – der seit über einem Jahr im Ausland weilt, um einer Haftstrafe zu entgehen – verfassungswidrig exiliert, und aktuell drohen ihm die Beschlagnahmung seines Besitzes (worunter auch die PRKN-Parteizentrale fiele) und eben die Auflösung der von ihm mitbegründeten einzig relevanten Oppositionspartei.
Die Gründe dafür liegen auf der Hand: In freien und wohl auch in leicht getürkten Wahlen hätte die regierende Kambodschanische Volkspartei (KVP) wohl keine Chance gegen die – trotz innerer Querelen und ohne bisher nennenswerte politischer Alternativen präsentiert zu haben – immer noch populäre Opposition. Und da am 4. Juni die Gemeinderatswahlen anstehen, ist es naheliegend (und letztendlich nicht überraschend), die PRKN zu kriminalisieren. Dabei ist es an Zynismus wohl kaum zu überbieten, dass die von Hun Sen auf den Weg gebrachten Gesetzesänderungen angesichts endemischer Korruption, zahlreicher politisch-motivierter Gewaltverbrechen und regelmäßiger Menschenrechtsverletzungen in erster Linie auf ihn angewandt werden müsste.
Schon schießen die Spekulationen ins Kraut, welcher Plan wohl dahinter stecken könnte, etwa Massendemonstrationen zu provozieren, um einen Vorwand für weitere Gewaltanwendungen durch die Sicherheitskräfte zu schaffen, das Kriegsrecht auszurufen und die Wahlen auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben. Gewiss agiert Hun Sen nicht aus einer Position der Stärke heraus, denn das würde bedeuten, er würde ohne Not die Grundfesten des politischen Systems zerstören. Denn in den letzten 20 Jahren – sein Staatsstreich von 1997 jährt sich im Juli – ist er als Dominator der kambodschanischen Fassadendemokratie recht erfolgreich gewesen. Hinzu kommt ein fast schon affektiver Hang vieler KVP-Granden zum Status quo, der nunmehr aufs Spiel gesetzt und nicht bei allen Ministern und Politbüromitgliedern Beifallsstürme auslösen wird. Und dass die Unzufriedenheit über seinen kleptokratischen, selbstherrlichen Regierungsstil, der die kambodschanische Gesellschaft in wenige Habende und viele Nichthabende geteilt hat, trotz seiner Charmeoffensive auf Facebook nicht nur bei jüngeren Städtern steigt, ist längst kein Geheimnis mehr. Schlussendlich wäre es naiv davon auszugehen, dass die Schaffung eines de facto Ein-Parteien-Staates keinen nennenswerten Einfluss auf Kambodschas Volkswirtschaft und die Beziehungen zu anderen (westlichen) Staaten hätte.
Somit wird Hun Sen selbst zum größten Unsicherheitsfaktor seines Landes, auch wenn er immer noch vom im Westen oft geglaubten Mythos des großen Stabilitätsfaktors im chaotischen Kambodscha lebt. Dass sein Verteidigungsminister wieder einmal öffentlich nicht seinem Land, sondern dem Autokraten den Treueeid schwört, sollte zusätzlich beunruhigen. Wie es die PRKN aus dieser Situation halbwegs unbeschadet herauskommt, kann man getrost als Mammutaufgabe bezeichnen. Sehr viele Fehler kann man ihr im Umgang mit dem Autokraten Hun Sen nicht vorwerfen. Es ist schon fast tragisch: Jahrelang war die Opposition uneins, schwach und belanglos, nun wird sie Opfer ihres eigenen Erfolges.
Bliebe die Frage: Wird die PRKN kämpfen oder sich fügen?
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