
Zerknittertes Image: Während bei den westlichen Konsumenten für hippe Lifestyle-Produkte geworben wird, geht es bei PUMAs kambodschanischen Näherinnen mit 61 US-Dollar Monatslohn ums nackte Überleben. (Foto: Karbaum)
Drei schwerverletzte junge Frauen, von denen eine derzeit um ihr Leben kämpft: In der Stadt Bavet, Provinz Svay Rieng, an der Grenze zu Vietnam sind am Montag Kambodschaner, die sich gegen ihre prekären Lebensverhältnisse zu wehren versuchen, wiederholt praktisch zum Abschuss freigegeben worden. Wie die Phnom Penh Post berichtet, hatten rund 6000 Näherinnen ihren Arbeitsplatz der Kaoway Sports Factory verlassen, um geringfügige Lohnerhöhungen – insgesamt 25 US-Dollar monatlich als Ergänzung des Mindestlohns von 61 US-Dollar – einzufordern. Die Schüsse wurden übereinstimmenden Augenzeugenberichten von einem Mann in Polizeiuniform abgegeben, der wahllos in die Menge feuerte. Eine Näherin wurde mit lebensgefährlichen Verletzungen in das Calmette-Hospital nach Phnom Penh gebracht, andere werden derzeit noch vor Ort versorgt.
Nachdem der zunächst friedliche Protest außer Kontrolle zu geraten schien – zuvor waren Steine geworfen, Reifen in Brand gesetzt und Firmengebäude zum Teil besetzt worden –, rückten bewaffnete Ordnungskräfte in zwei Mannschaftswagen an. Der Schütze schien kein amoklaufender Wahnsinniger gewesen zu sein, da er – sofern man den Augenzeugen glauben mag – von zwei weiteren Männern schützend flankiert wurde und anschließend ungehindert mit einem Toyota Camry entkommen konnte. Ein Polizeisprecher schloss allerdings aus, dass der Täter, nach dem jetzt gefahndet wird, Polizist sei. Der örtliche Polizeichef sprach sogar vom Schützen als einem Mann in weißem T-Shirt, der erfolgreich „in den Wald“ geflohen sei, obwohl Polizei und Protestierende gemeinsam versucht hätten, seiner habhaft zu werden – Baron Münchhausen wäre sicher stolz auf diesen Schüler gewesen.
Am Pranger steht aber nicht nur der taiwanesische Arbeitgeber, sondern auch der deutsche Sportartikelgigant PUMA, der in Bavet Schuhe anfertigen lässt. Die prominente Oppositionspolitikerin Mu Sochua betonte gegenüber der Phnom Penh Post die direkte Verantwortung der Herzogenauracher:
“Does PUMA want its name to be tainted by the blood of workers in Cambodia? These are young women who want nothing more than $10 for transportation and an extra 50 cents for their food.”
Aufgescheucht von so viel Negativ-Publicity sah sich der Konzern auch sofort in der Pflicht, ein eher verwirrendes Statement abzugeben. Danach seien die Forderungen der Arbeiterinnen schon am Wochenende akzeptiert und die Proteste wohl nicht von eigenen Näherinnen initiiert worden. Niemand sei schwer verletzt worden, eine Person müsse lediglich noch eine Woche im Krankenhaus bleiben. Chapeau vor so viel Chuzpe, denn von unabhängigen Stellen wurde lediglich bestätigt, dass auch Arbeiterinnen anderer Fabriken der Manhattan Special Economic Zone an den Protesten beteiligt gewesen sein sollen und die Fabrik bis auf weiteres aus Sicherheitsgründen geschlossen bleibt. Da die Stellungnahme direkt aus Mittelfranken kommt, kann man wohl davon ausgehen, dass die Autorin wohl absichtlich desinformiert oder selbst gar nicht im Bilde ist. Und eine weitere wichtige Frage, ob PUMA nämlich damit einverstanden sein kann, jedem Opfer laut ihrem taiwanesischen Lieferanten läppische 500.000 Riel (umgerechnet rund 125 US-Dollar) Entschädigung zahlen zu wollen, ist noch gar nicht beantwortet worden.
Unabhängig von der Involvierung von PUMA ist dieser Vorfall Teil zweier sich überlappender Muster, die seit Jahren beobachtbar sind: Zum einen westliche Bekleidungs- und Schuhersteller, die zu abenteuerlichen Löhnen in Ost-, Süd- und Südostasien produzieren lassen, ohne der eigenen sozialen Verantwortung ausreichend gerecht zu werden. Zum anderen die steigende Bereitschaft der Kambodschaner, sich mit den durch und durch ungerecht weil hochgradig korrupten gesellschaftlichen Verhältnissen nicht mehr abfinden wollen. Anstatt zu kuschen und klein beizugeben, wie es in Kambodscha aus den verschiedensten politischen, persönlichen und kulturellen Gründen nicht allzu selten ist, beginnen die Menschen immer mehr Mut zu fassen und sich gegen die Obrigkeit (von der man aufgrund der Symbiose politischer und wirtschaftlicher Eliten durchaus generell-vereinheitlichend sprechen kann) zur Wehr zu setzen. Das scheint insbesondere an der Perspektivlosigkeit von immer mehr Menschen zu liegen, die langsam erkennen, dass sie nichts zu verlieren haben außer ihrem Leben.
Es ist kein Zufall, dass die Proteste und anschließende Zusammenstöße wie nun in Bavet und zuvor in Snuol oder Borei Keila immer heftiger und häufiger werden. Im Machtkalkül der Herrschenden reichte es meist aus, ein oder wenige Exempel zu statuierten, um viele zu verängstigen und ruhig zu halten. Doch diese Logik scheint nicht mehr aufzugehen: Im kambodschanischen Kessel brodelt es, die soziale Schieflage scheint das Land immer mehr aus der Balance zu bringen. Nicht nur wegen PUMA sollte sich auch Deutschland fragen, welchen Anteil es daran trägt.
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