Entsetzen in Phnom Penh: Die angeblichen Mörder von Gewerkschaftsführer Chea Vichea – der am 22. Januar 2004 erschossen worden war – Born Samnang und Sok Sam Oeun, müssen nach fast vier Jahren in Freiheit wieder ins Gefängnis. Damit erreicht die Travestie von Strafverfolgung und gerichtlicher Unabhängigkeit auf Weltniveau eine kaum mehr für möglich gehaltene Rückkehr ins öffentliche Bewusstsein. Rückblick: Kurz nach dem Mord an dem der oppositionellen Sam Rainsy Party (SRP) nahestehenden Chea Vichea werden der staunenden Öffentlichkeit zwei junge Männer als Täter präsentiert, die sich bis dahin gar nicht kannten und für die Tatzeit ein wasserdichtes Alibi hatten. Im Gefängnis wird einem von ihnen unter Folter zunächst ein Geständnis abgepresst, dass später widerrufen wird. Vergebens: Im August 2005 werden beide wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes zu je 20 Jahren Haft verurteilt. Der dahinterstehende Ermittlungsskandal wurde vom preisgekrönten Dokumentarfilm „Who killed Chea Vichea?“ thematisiert, der einige Wochen nach seiner Deutschlandpremiere aktueller denn je erscheint.
Ende Dezember 2008 werden Born Samnang und Sok Sam Oeun auf Kaution freigelassen. Die offenkundigen Widersprüche in der Beweisführung waren unterdessen auf ein Niveau gewachsen, das selbst mit einem regierungstreuen Mindestmaß an Urteilsvermögen nicht mehr zu übersehen war. Üblicherweise sind solche Verfügungen die Vorwegnahme endgültiger Freisprüche, doch in diesem Fall kehrt der Schrecken des abgekarteten Spiels vier Jahre später zurück: Wie die Phnom Penh Post berichtet, war die Polizei ganz offensichtlich bereits vorab informiert, um Born Samnang und Sok Sam Oeun kurz nach der Urteilsverkündung zum zweiten, noch gut 15 Jahre andauernden Teil ihrer Pseudostrafe abzuführen. Menschenrechtsgruppen, die sich zwischen 2004 und 2008 massiv für die Freilassung der beiden Sündenböcke eingesetzt hatten, traf das Verdikt dagegen gänzlich „unerwartet“ – zu deutlich waren schließlich entlastende Beweise und Zeugenaussagen gewesen.
Warum das Regime dieses zugeschüttete Loch nun wieder aufgerissen hat, bleibt sein Geheimnis. Es fügt sich jedoch nahtlos an andere Skandale an, die sich seit einigen Monaten auffällig häufen (und ob ihrer Quantität auch diesen Blog mitunter zu überfordern drohen). Immerhin lässt sich kaum bestreiten, dass Hun Sen und seine Paladine derzeit hypernervös sind. Aktuell dürfte sich jeder, der den Topkadern der ex-kommunistischen Kambodschanischen Volkspartei (KVP) wie auch immer im Weg steht, in existenzielle Gefahr begeben. Sieben Monate vor den Parlamentswahlen kehren vor den Augen der Welt Willkür und Angst zurück nach Kambodscha.
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